Nubra (Ladakh): Nirwana im diesseits

Lageplan von Diskit, Nubra und Shyok in Ladakh

Hoch oben in den Bergen des westlichen Himalaya stehen sich bis an die Zähne bewaffnete Truppen gegenüber: die von Indien, China und Pakistan. Der Siachen-Gletscher und das Tal des Shyok Rivers sind Frontzonen in mehr als 5000 m Höhe. Mitten drin mischen sich militärische Infrastruktur und Tourismus, zum Beispiel im Nubra-Tal in Ladakh. Doch bevor der Reisende von der Hauptstadt Leh aus jenes Shangri-la an den Flüssen Shyok und Nubra erreicht, muss er über den Khardung la, mit 5600 m einer der höchsten Straßenpässe der Welt.

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Hier oben liegen selbst im August noch Schneereste. Unsere Fahrer mit handelsüblichen Toyota-Kombis raten uns, nicht länger als eine Viertelstunde auf dieser Höhe zu verweilen. Leh liegt 3300 m hoch, in Diskit werden wir später wieder unter 3000 m sein (und ich damit von Höhenkrankheit verschont). Die Fahrt zum Pass und wieder runter ist atemberaubend, die Straße nur eine Schotterpiste. Lastwagen der Armee, Mountain Biker aus Europa und indische Familien teilen sich die Strecke. Mit schönem Sinn für Humor empfiehlt die Border Roads Organisation, unseren Nachbarn zu lieben – nur nicht am Steuer.

Wir erreichen das Tal des Shyok, der hier nach einem scharfen Knick nach Nordwesten Richtung Indus fließt (mit dem vereint er sich auf pakistanischem Territorium). Schotterkegel und Sandbänke begleiten den Fluss.

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Unser Ziel ist Hundar, einige Kilometer jenseits von Diskit. Hier wird auf einem Schuttkegel intensive Landwirtschaft betrieben und mitten drin sind sogenannte Öko-Camps. Unseres besteht aus komfortablen Zelten, umgeben von Gemüsegärten und kleinen Wassergräben, die ein angenehmes Schlummergeräusch verursachen.

Sanddünen im Shyok Valley bei Hundar

Auf dem Weg zurück nach Diskit besuchen wir die Hundar-Sanddünen. Die feineren Sedimente sind vom Wind ausgeweht und hier als Dünen abgelagert worden: eine Idee von Wüste am Flussufer mitten zwischen schneebedeckten Bergen. Bei Diskit mündet der aus dem Siachen-Gletscher entspringende Nubra-Fluss in den Shyok und bildet hier eine breite Talaue. Am Abhang südlich der Aue schmiegt sich das Diskit Gompa an den Berghang. Das Kloster wurde schon im 14. Jhd. gegründet.

Diskit Gompa, ein Kloster aus dem 14. Jhd.
Blick auf die Aue von Diskit

Auf einem Hügel gegenüber dem Kloster ist eine neue Anlage gebaut worden, integriert ist dort eine 32 Meter hohe Statue des Maitreya Buddha, einer zukünftigen Inkarnation. Die Statue war erst 14 Tage vor unserem Besuch vom Dalai Lama eingeweiht worden.

Ein weiteres Ziel auf unserer Tour war das Samstanling Kloster beim Dorf Sumur, ein Stück hoch ins eigentliche Nubra-Tal. Dazu fuhren wir zur einzigen Brücke über den Shyok weit und breit. Die kleine Hängebrücke wirkte verletzlich zwischen den wilden Wassern und den Schutt bedeckten Hängen. Und doch war sie bei unserem Besuch der einzige Übergang über den Shyok an seiner engsten Stelle, auch für den Nachschub der indischen Armee zum umstrittenen Grenzgebiet am Siachen-Gletscher.

Brücke über den Shyok südöstlich von Diskit

Zu gern wären wir das Nubra-Tal weiter hinauf bis zur Gletscherzunge gefahren, aber es ist militärisches Sperrgebiet.

Im Kloster trafen wir eine Gruppe Kindermönche, die hier auf eigenen Wunsch oder von den Eltern hingebracht werden, um eine Zeit das Mönchsleben kennen zu lernen. Es war beruhigend zu sehen, dass auch Kindermönche spielen wollen, sei es mit Lego oder einem Kipplastwagen.

Unser Ausflug nach Nubra von Leh aus war zu kurz, um sich auf dieses Stück Welt hinter den Bergen einzulassen. Aber der Trip war lang genug, um eingenommen zu werden von einer Landschaft nahe den Göttern oder nahe dem Nirwana. Wir fuhren über den Khardung la nach Leh zurück, in jenen Augusttagen des Jahres 2010 nicht ahnend, dass uns eine Naturkatastrophe und somit das eigentliche Abenteuer noch bevorstand.