Glanz und graue Wirklichkeit in Taipei

Ein nass-kalter Tag zu Beginn der letzten Januarwoche in Taipei, bei dem man keinen Hund vor die Tür jagt. Es sei denn man ist Tourist – oder Schüler.

Eine Kindergartengruppe beim Ausflug in Banqiao

Aber ein solcher Tag eignet sich zum Museumsbesuch. Und da hat Taipei etwas zu bieten: das National Palace Museum am bewaldeten Berghang nördlich der Stadt. Es beherbergt die Kunstschätze aus 3000 und mehr Jahren chinesischer Geschichte.

Sie wurden von Kuomintang-Truppen unter Chiang Kai-scheck vom Festland mit rüber genommen, als sie vor den Truppen Maos nach Taiwan fliehen mussten.

Über drei Stockwerke und Dutzende Säle werden die Schätze gezeigt, für jeweils nur einen Teil der Sammlung ist überhaupt Platz.

Das Museum bestätigt eindrucksvoll die Kunstfertigkeit des kaiserlichen China, sei es in Porzellan und Keramik, in Bronze, Gold oder Jade. Und an diesem regnerischen Dienstag war ich nicht der Einzige, der sich davon überzeugen konnte: Das Museum war voller Besucher

Schon gestern hatte ich mir die Innenstadt von Taipei angeschaut. Mit der U-Bahn fuhr ich vom Hotel in Banqiao zum Hauptbahnhof. Im Inneren ist das Gebäude der Taipei Main Station ein Gourmettempel – die Bahnsteige sind im Untergrund. Aber in den Zugängen auf dem Vorplatz zeigte sich ein anderes Taipei.

Obdachlosigkeit in allen Ecken der Plaza, mitten zwischen Einkaufszentren und Hotelhochhäusern. Ansonsten ist der Platz vor dem Hauptbahnhof fast menschenleer, als ob Scham die Pendler in die U-Bahn-Ebene treibt.

Die 3-Millionen-Metropole (der Großraum Taipei hat 7 Mio. Einwohner) wurde im Rundfahrtbus, den ich mir angesichts des Regens gönnte, von der besten Seite präsentiert: Shopping- und Entertainment-Distrikte in allen Varianten, Regierungssitz und Geschichtliches der Republik China.

Aber an einem solchen Tag ist alles farblos. Ich habe daher den Taipei 101-Tower eingefärbt.

In den Seitenstraßen kommt noch ein Rest alter Nachbarschaften zum Vorschein, aber damit können moderne Metropolen nicht punkten. Sie brauchen „ikonische“ Bilder, wie das Neujahrsfeuerwerk vom Taipei 101.

Der Longshan-Tempel versteckt sich hinter Lampion-Schmuck

Die neue Regierung von Taiwan hat eine Menge Aufgaben vor sich. Und die liegen in der Innenpolitik, nicht im aufgezwungenen „Kampf gegen Xi’s Drohungen“. So sieht es auch der Uber-Fahrer, der mich vom Museum quer durch die Stadt zurück nach Banqiao bringt. Er arbeitete früher als Reiseführer und muss jetzt seine Eltern pflegen. Die flexible Arbeitszeit als Uber-Fahrer macht das möglich. Er spricht fließend Englisch und die 45 Minuten, die wir durch den Verkehr jonglieren, reichen gar nicht für all die Fragen.

Berufsbedingt ist die alte chinesische Geschichte für ihn das Faszinierenste. Davon sei in den aktuellen Lehrplänen Taiwans nichts mehr enthalten. Die jungen Leute lernten nur noch eine isolierte Geschichte Taiwans. Dabei zeige das Museum doch das kulturelle Erbe Chinas als Ganzes. Sehr gerne würde er mal das Festland bereisen (was aus wirtschaftlichen Gründen derzeit nicht ginge), etwa nach Yunnan oder Guillin. Und er findet es schade, das Taiwans Regierung Festlandschinesen keine touristische Reisemöglichkeit auf die Insel erlaubt. Man könnte so viel voneinander lernen. Ich nehme mir vor mit ihm in Kontakt zu bleiben, er hat mir seine Visitenkarte gegeben.

5 Gedanken zu “Glanz und graue Wirklichkeit in Taipei

  1. Schöner Bericht! In Taipeh/Taiwan war ich im Mai. Es regnete ziemlich oft, war aber wohl nicht so kalt wie bei dir. Nur ganz im Süden, in Kenting, war das Wetter besser.
    Das Museum fand ich genial, blättere immer noch gerne im Katalog. Toll fand ich, dass man in der Stadt, auch in einfach aussehenden Imbissen, sehr schmackhafte Nudelsuppen essen konnte.

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      1. Guter Tipp mit der Walking Tour. Mache ich sonst auch gern. War von Malaysia aus eine Woche in Taiwan. Bin gestern Nachmittag nach Kuala Lumpur zurück geflogen. Land und Leute haben mir gut gefallen.

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