Malacca: Kleinchina in Malaysia

Ich gehe jede Wette ein: Malacca hat die schönste chinesische Altstadt in Südostasien. Zudem ist sie die älteste. Und mit jedem Aufenthalt hier gibt es mehr zu entdecken, vor allem um die Jonker Street und Heeren Street. Wären die Straßen nicht so eng (und stark befahren), mit Bürgersteigen nur Zentimeter breit, man könnte ewig vor den Häuserfassaden und Tempeln stehen und immer neue Details finden. Die Kamera käme dabei nicht vom Auge weg.

Allein in einem Geviert von 500 x 500 Metern gibt es ein halbes Dutzend Tempel. Die meisten Shophouses haben prächtige Fassaden. Sie stammen aus der Zeit zwischen den Weltkriegen, als Chinesen Kautschukplantagen betrieben – damals wegen der beginnenden Motorisierung eine Goldgrube.

Es gibt in Malacca viele Straßenzüge mit solchen Fassaden, einige verfallen, weil die Besitzer den Wert nicht schätzen. Andere haben aufwendige Stuckverzierungen, die man erst beim zweiten Hinsehen entdeckt. Im tropischen Klima ist deren Erhalt sehr aufwendig.

Im Untergeschoss sind traditionell Läden, von „Tempelbedarf“ bis zu Haushaltswaren, Teegeschäften oder solche für traditionelle chinesische Medizin.

Etwas außerhalb des touristisch hochentwickelten Bereichs, in dem gefühlt jedes zweite Haus zur Straße in ein Cafe oder eine „authentische“ Bleibe umgewandelt wurde, gibt es aber noch die alten Läden und die Straßenküchen.

Die Wurzeln chinesischer Präsenz gehen auf die Jahre unmittelbar nach 1400 zurück. Die neue Ming-Dynastie wollte mit einem gewaltigen Flottenbau buchstäblich Flagge zeigen und suchte Verbündete und Stützpunkte im Südchinesischen Meer und im Indischen Ozean. Malacca, gerade erst gegründet, war ein natürlicher Anlaufpunkt im Schnittpunkt der Monsune. Kommandant jener Expeditionen des Kaisers war ein gewisser Admiral Cheng Ho: Eunuch am Kaiserhof, zudem Muslim aus Yunnan, und ausgestattet mit einer Mischung Entdeckerlust und mitgelieferter Autorität des Reiches der Mitte. Auf ihn und den folgenden Überseehandel gehen die ersten permanenten chinesischen Ansiedlungen in Malacca zurück – hundert Jahre bevor die Portugiesen auftauchten. Aber auch die und alle folgenden „Herren“ Malaccas machten sich chinesischen Fleiß und den profitablen Handel mit Waren aus dem Kaiserreich zunutze.

Cheng Ho wird von den Chinesen in Malacca verehrt. Seine Statue steht im Poh San Teng Tempel um Fuß des Bukit China (dazu gibt es in den nächsten Tagen einen eigenen Beitrag). Der Tempel ist Pflichtprogramm für die Reisegruppen aus der Volksrepublik und für Staatsbesucher aus Peking. Und nicht umsonst macht der derzeitige chinesische Präsident häufig Referenzen zu Cheng Ho, wenn er den friedlichen und kooperativen Charakter der Belt & Road Initiative beschreibt.

Eingang zum Poh San Teng Tempel, im Hintergrund der Bukit China

Die Zahl chinesischer Zuwanderer nach Malaysia stieg im 19. Jahrhundert stark an, sie wurde sogar von der britischen Kolonialmacht gefördert. Es bildeten sich Vereine, ähnlich wie bei deutschen Auswanderern in den USA, bei denen sich Zugewanderte aus gleichen Heimatregionen gegenseitig halfen und den Zurückgebliebenen ebenfalls Unterstützung zukommen ließen.

Die Ban Ning Teh Society zum Beispiel verbindet Zuwanderer von der Insel Hainan.

Aber zurück zu den heutigen Chinesen als Bürger Malaysias. Ich treffe auf das Ehepaar Wong* in einem Laden, den sie in zweiter Generation betreiben. Sie sind stolz auf ihr Handwerk und die einzigartigen Produkte. Aber die Lage ist betrüblich. Alle wollen schnell und mühelos reich werden, meinen sie. Die Stundenlöhne bei Fast Food-Ketten seien höher, als sie das Handwerk anbieten könne. Ihr Laden sei wichtig für das kulturelle Erbe, auf das Malacca so stolz sei. Aber Unterstützung gäbe es nicht, das Ende ihres Handwerks samt Laden daher absehbar. Ich werfe ein, Malaysia sei ein reiches Land. Sie stimmen dem zu. Ob die Chinesen nicht die wirtschaftlich Aktivsten seien, frage ich. Wohl wahr, meinen sie, wir machen die ganze Arbeit, aber andere fällen die Entscheidungen.

Es klingt bitter und ich verspreche zurück zu kommen, um mehr zu erfahren. Insgeheim denke ich, welchen kulturellen und wirtschaftlichen Schatz Malaysia verkümmern ließe, träfe die Einschätzung der Wongs zu.

* Name geändert.

3 Gedanken zu “Malacca: Kleinchina in Malaysia

  1. Tolle Fotos. Sehr interessant, über die Chinesen in Malaysia zu lesen. Magst Du eventuell eine Zusammenfassung für meinen Blog schreiben? Natürlich mit Link. Ich habe da leider zu wenig Ahnung, aber das würde gut zu meinen Geschichten passen.
    Beste Grüße
    Ulrike
    http://www.bambooblog.de

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