Als Cash zum Problem wurde

Kurz vor der Abreise nach Indien im November 2016 hörte ich in den Nachrichten, dass die Regierung in Delhi einige Banknoten für ungültig erklärt hätte. Ich hatte noch etwas Kleingeld und eine 1000 Rupien-Note (ca. 13 Euro) im Gepäck, Euro-Bargeld nahm ich nur in geringer Menge mit, schließlich gibt es in Indien ATMs (Automated Teller Machines = Bankautomaten) an jeder Ecke. Und die nehmen EC- und Kreditkarten an.

Es war der 9. November und die Weltnachrichten waren mit der Präsidentenwahl in den USA beschäftigt. Nach der Landung in Delhi (Trump war inzwischen zum Wahlsieger erklärt geworden) war mein erster Gang zum ATM. Alle in der Ankunftshalle waren gesperrt. Nothing to worry, ich hatte ja cash. Aber meine 1000-Rupien-Note gehörte zu den seit Mitternacht Ungültigen, keiner nahm sie an. Euro-Umtausch war nicht möglich, da die Banken nicht über die neuen Banknoten verfügten. Chaos und lange Schlangen allenthalben.

Ich war auf dem Weg nach Assam und zu einer Tour mit Auto und persönlichem Guide in den Himalaya von Arunachal Pradesh. Größere Peripherie ist in Indien kaum möglich. Beim Flug via Calcutta nach Guwahati in Assam, das gleiche Bild. Wechselschalter und ATMs außer Funktion. Immerhin, Kreditkartenzahlung funktionierte. Kein Problem bei großen Beträgen, aber eines für eine Flasche Wasser oder einen Snack am Kiosk.

Sajid am Sela-Pass (4170 m)

Ich machte mir Sorgen, wie ich am „Ende der Welt“ wohl zurecht käme. ATMs und Kreditkartenzahlung seien dort so gut wie gar nicht möglich. Sajid, der mich mit dem Fahrer in Guwahati erwartete, beruhigte. Die Tour samt Mahlzeiten sei ja pre paid, aber kein Trinkgeld geben können, keine Möglichkeit für einen Snack auf dem Weg?

Auf dem Fluchtweg des Dalai Lama. Reiners.blog, 18.3.2021

Die Tour durchs Kanmeng-Tal bis zum Sela-Pass war aufregend und zum Glück tauchte die Frage von Bargeld kaum auf (Sajid streckte mir ein paar hundert Rupien vor). Aber nach fünf weiteren Tagen und zurück im Tal des Brahmaputra wurde es auch bei ihm eng. Guter Rat wurde buchstäblich teuer. Die Guides tauschten Neuigkeiten aus, wo ATMs und Bankschalter funktionierten.

Eines späten Nachmittags gab es einen Tipp: An der Straße Richtung Osten sei eine Bankfiliale mit Bargeld zu finden. Wir fuhren hin, auch hier Schlange stehen. Ein handgeschriebenes Schild wies auf die maximalen Cash-Beträge hin. Ich konnte ein paar 2000-Rupien-Noten aus dem Automaten ziehen (man kann aber damit verhungern, wie mit dem berühmten Goldklumpen in der Wüste). Und Sajid gelang es am Bankschalter 10.000 Rupien von seinem Konto abzuholen, neben den großen Banknoten einen Beutel voller neuer Münzen. Meine 2000-Rupien-Note konnte er jetzt einwechseln.

Sajids Ausbeute in Assam, Nov. 2016

Die sogenannte „demonetisation“ der Regierung Modi sollte gegen Schwarzgeld vorgehen, das wohl bar (und in Kisten) herum liegen muss. Leidtragende waren die kleinen Leute – und die Touristen, die im November 2016 in Indien landeten. Bei den Wahlen 2019 wurde die Regierungspartei BJP mit großer Mehrheit wieder gewählt.

P.S.: Derzeit werden – mit ausreichender Frist, zum Glück – alle 2000-Rupien-Noten wieder eingezogen. Also, auf Reisen und auch sonst immer mit dem Unerwarteten rechnen.

Six years since demonetisation, RBI withdraws Rs 2,000 currency notes: A look back at significant incidents | India News,The Indian Express (21. Mai 2023)

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