Gestern Abend sah ich eine schöne Dokumentation in ARTE zur Geschichte des legendären Orient-Express.
Der Orient-Express: Vintage auf Schienen (2018). ARTE-Mediathek
Da gehen Erinnerungen zurück in den Spätsommer 1976, als ich mich in den Orient aufmachte, über Istanbul, Kappadokien, in den Iran und nach Syrien. Von München bis Istanbul fuhr ich mit dem Tauern-Orient-Express.

Das Foto entstand an der Galata-Brücke in Istanbul, mit zwei Engländern, die im Zug ab Sofia mitgefahren waren.
In der bulgarischen Hauptstadt hatte ich eine 24-stündige Reisepause eingelegt (man erhielt problemlos das Transitvisum im Zug).


Ich habe von dieser Reise nur wenige Fotos, aber aus Tagebucheintragungen kann ich einiges rekonstruieren. So bestand der Aufenthalt in Istanbul nur im Transfer vom Bahnhof Sirkeci über den Bosporus bis zum Bahnhof Haydarpasha (siehe Foto oben von 2003). Der ist mittlerweile stillgelegt, die Züge fahren unter der Meeresstraße durch.
Von München erreichte der Zug Belgrad nach 15 Stunden. Eine Hälfte fuhr als Tauern-Orient-Athen-Express nach Griechenland weiter, „mein“ Zugteil brachte mich planmäßig bis in den frühen Abend nach Sofia. 24 Stunden später fuhr ich von dort nach Istanbul weiter und kam gegen Mittag des nächsten Tages (mit fast 4 Stunden Verspätung) in Sirkeci an.


Vom Flair des Orient-Express war auf der Fahrt nichts zu spüren, aber die beiden Bahnhöfe in Istanbul waren wie in alten Zeiten. Mit der Fähre ging es nach Haydarpasha, wo ich das Ticket für den Vangölü-Express bis Kayseri löste. Der kam am Nachmittag des folgenden Tages in Kappadokien an.
Aus meinem Tagebuch (auch im Folgenden):
Donnerstag, 23.9.76, 7.20 Uhr. Der Vangölü-Express verlässt soeben den Hauptbahnhof von Ankara. Zwölf Stunden angenehme Nachtfahrt sind hinter uns. Im Abteil waren wir nur zu dritt, so dass es möglich war die Sitze auszuziehen. Ein Kuriosum: Zwei der vier Kurswagen nach Teheran sind Wagen der DB. Fahr sicher mit der Bundesbahn, auch nach Asien!
Alle (Türken) träumen von Almanya. Fast jeder hat Verwandte oder Bekannte in Deutschland, war selbst schon dort oder hat in der Schule Deutsch gelernt. Fragen über Fragen muss man beantworten. … Tiefschürfenden Diskussionen wollen die wenigsten führen, man scherzt und albert, und wenn ich einen guten Witz machte, hatte ich die Türken auf meiner Seite. Zum Abschied im Zug Hände schütteln.





(Einige weitere Fotos habe ich von einem Server „ausgegraben“ und füge sie hier bei, 22.5.23)




Da der Vangölü-Express nur an wenigen Tagen der Woche fuhr, nahm ich zur Weiterreise in den Iran von Kayseri aus den Dogu-Express bis Erzurum. Dort traf sich dann ein Häufchen Backpacker, die gemeinsam per Bus die Reise über Dogubayazit/Maku und Täbris nach Teheran fortsetzten.

Sonntag, 26.9.76, 7.30 Uhr: (Vor Erzincan). Zur Zeit fährt der Dogu-Express durch eine zerklüftete, canyon-artige Landschaft. So stelle ich mir eine Reise durch den Wilden Westen vor. Erzurum, wo wir heute Mittag um ein Uhr ankommen werden, liegt schon 2000 m hoch, und es soll dort recht kalt sein. Ich habe mir einen Rollkragenpullover angezogen. Das Abteil ist bestens geheizt.






Maku (Iran), Dienstga, 28.9.76, 7 Uhr. Ich liege noch im Bett, auf einem Zimmer mit fünf Mitreisenden. Der gestrige Tag war der abenteuerlichste der ganzen Reise, die 300 km-Etappe von Erzurum hier hin. … Von Dogubayazit, dem letzten türkischen Dorf, am Fuß des Ararat, sind wir die 35 km bis zur iranischen Grenze mit dem Minibus gefahren. Die Grenzkontrolle ging reibungslos. … Leider ging von der Grenze kein Bus bis Teheran, außerdem konnten wir kein Geld tauschen. So sind wir den schon im Dunkeln von der Grenzstation zur Lkw-Zollstation marschiert und von dort mit einem Bus die 21 km nach Maku gefahren.



Da mir ein irakisches Visum verweigert wurde, musste ich der gesamten Länge nach durch iranisch Kurdistan zurück nach Täbris fahren, mit einer Übernachtung in Kermanshah.




In Täbriz konnte ich dann für eine Teilstrecke bis Malatya in der Türkei wieder den Vangölü-Express benutzen, einschließlich der Eisenbahnfähre über den Van-See. Von Malatya schlug ich mich per Bus über den Taurus und Gaziantep in die Grenzstadt Kilis durch. Von dort ging es per Anhalter nach Aleppo, Homs (mit Ausflug nach Palmyra), und schließlich nach Damaskus. Die Kranich-Airline brachte mich zurück nach Frankfurt – die Reise in den Orient dauerte vier Wochen (19.9. bis 16.10.76). Zu Semesterbeginn war ich wieder in meiner Wahlheimat Aachen.



ZDF-Mediathek:
Orient-Express: ein Zug schreibt Geschichte
Wahnsinn, das war noch „Reisen“. Danke
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