
Das wichtigste ist immer das Permit. Ohne den Stempel im Pass kein Zugang zu diesem Ländchen im Himalaya, eingezwängt zwischen großen (Indien und China) und kleinen Nachbarn (Nepal und Bhutan). Seit 1975 ist das einstige Königreich ein indischer Bundesstaat.

Ich war zwischen 1979 und 2006 viermal in Sikkim. Jedes Mal brauchten wir ein Restricted Area Permit, welches bei der Fahrt Teesta-aufwärts am Check Post Rangpo abgestempelt werden musste. Das Permit muss bei Visumantrag mit beantragt werden.

1979 war das noch ein Abenteuer, pro Jahr gab es damals nur einige Tausend ausländische Touristen. Die Botschaft in Bonn leitete den Antrag an den Deputy Commissioner nach Darjeeling weiter. Dorthin führte uns der Weg als Erstes. Mein Tagebucheintrag vom 6. September ’79 klingt skeptisch: „Zwar fand der höfliche Herr in seinem chaotischen Aktenhaufen unsere Permits für Sikkim nicht, aber er versprach, dass wir sie bekommen würden.“ Inzwischen besorgten wir uns die Bustickets nach Gangtok. 24 Stunden später tauchten wir wieder in dem Büro des Commissioners auf, „dessen Assistent uns nach abermaligem vergeblichen Versuchen das ersehnte Permit ausstellte.“

Gangtok war damals ein verschlafenes Nest. Im Bazar stand eine Gandhi-Statue, die in den Jahrzehnten später durch Parkbänke und Shopping Centers „ersetzt“ wurde.

Im Hotel fragte man uns, ob wir nicht eine Audienz beim König gehabt hätten – das wäre möglich. Er lebe als Privatmann in Gangtok. Das war eine verpasste Gelegenheit, denn ein Jahr später verließ der Chogyal Sikkim und verstarb wiederum zwei Jahre darauf in New York (s. SPIEGEL-Notiz).


Schon beim nächsten Besuch, 16 Jahre später, war Gangtok kaum wieder zu erkennen. Es wirkte damals schon wie Davos, die aktuellen Bilder via Google Maps lassen es eher wie ein zollfreies Einkaufsparadies mit Bars und Luxushotels erscheinen. Die Einwohner Sikkims, Lepchas und Bhutias, sind vollkommen aus dem Bazar verschwunden. Es dominiert die neue und reisefreudige indische Mittelschicht.




Im Bazar sah man 1979 ein buntes Völkergemisch aus Nepalis, Bengalis und Lepchas.



Die damals verbreitete Armut ist aus dem Straßenbild verschwunden.



Meine Blogbeiträge zu Sikkim:
Sikkim: ein Königreich für ein Flugzeug. Reiners.blog, 24.9.2018
Tsomgo: heiliges Wasser an der Hotzone. Reiners.blog ,19.5.2021
Rumtek: Konflikt im Kloster. Reiners.blog, 27.4.2021

Schon 1995 hatte sich die Permit-Vergabe geändert, Tourismus in Sikkim wurde gefördert. Man erhielt nach Antrag den Permit-Stempel zusammen mit dem des Visums. Die Kontrolle in Rangpo aber blieb weiterhin bestehen, bei Ein- und Ausreise wurde abgestempelt. Die Prozedur übernahm zum Glück der Local Guide, der mich unterstützte.


Aber das Straßenbild Gangtoks hatte sich komplett verändert: Bürgersteige, befestigte Straßen, mehrstöckige Apartment-Blocks steil an den Hang geklebt. Ganz offensiv wurde der Schutz vor AIDS 1995 beworben.





Die Reisterrassen in den Tälern um Gangtok waren durchsiedelt, bei aktuellen Fotos sind große Flächen mit Bäumen bepflanzt, durch die schmucke Villen hindurch scheinen.




Meine Reisen nach Sikkim blieben meist auf Gangtok beschränkt. Die Stadt hat für ein paar Tage einiges an tibetischer Kultur zu bieten. Von den Hotels auf dem oberen Teil des Sporns lässt sich der Gipfel des Kanchenjunga beim Sonnenaufgang bequem mit einem „early Morning Coffee“ beobachten.
Wo Berge und Flüsse Kathedralen sind. Reiners.blog, 22.5.2021
Leicht zu erreichen ist rund 10 Straßenkilometer nördlich das Phengsan-Kloster, das einsam an einem Hang oberhalb der Straße nach Nordsikkim gelegen ist. Ursprünglich gegründet 1721 ist es nach einem Feuer im Jahr 1957 in der heutigen Form wieder aufgebaut.





Sikkim jenseits von Gangtok bleibt auf jeden Fall ein Shangri-la für Wanderer und Trekker. Der rapide Wandel rund um die Hauptstadt ist gigantischen Investitionen des indischen Staates geschuldet, für den Sikkim der nächste Grenz- (und Front-)Punkt zu Tibet und China ist. Über den Nathu La-Pass hatte man sich einen Ausbau des Handels erwartet, aber das wird wegen latenter Spannungen immer wieder in Frage gestellt.
Geopolitik im Himalaya. Reiners.blog, 24.3.2018
Permits an die indische Peripherie im Himalaya sind den Aufwand wert. Kaum irgendwo sonst reicht die Weltpolitik in eine so isolierte Region hinein, wie in Sikkim.