Eine sinnlose Tour

Angeregt durch die Frage eines Blogger-Kollegen, wie sinnvoll Reisen sind, suchte ich nach einem sinnfreien Erlebnis der letzten Jahre. Tatsächlich fiel mir eins ein, bei dem es vor eigener Selbstüber- und Fehleinschätzung strotzte: eine gescheiterte Tour in den Mount Kinabalu Nationalpark auf Borneo im Februar 2019.

Vom Beach Resort (so zumindest nannte sich meine Bleibe am Strand) südlich von Kota Kinabalu machte ich mich früh morgens mit kleinem Gepäck im Auto auf nach Nordosten. Ich wollte verkehrsgünstig in der Nähe des Nationalparks für eine Nacht bleiben, in einer als „retreat with a view“ beschriebenen Lodge.

Schon nach wenigen Kilometern stieg die gut ausgebaute Straße in Kurven durch den Dschungel auf die Crocker Range an. Der Gebirgsrücken durchzieht vom höchsten Punkt, dem über 4000 Meter hohen Mount Kinabalu, den Norden Borneos in südwestlicher Richtung. Der Verkehr war dünn, das Wetter prächtig. Jenseits der Crocker Range, in Tambunan, bog ich nach links Richtung Ranau ab.

Gegen Mittag kam ich an meiner Lodge an, parkte das Auto und suchte die Rezeption (sie war zugleich Essraum der Familie, welche das Establissement betrieb). Man drückte mir ein Handtuch, Seife und den Zimmerschlüssel in die Hand. Nun ja, basic wäre übertrieben, aber für eine Nacht okay, dachte ich noch. Bis ich mich auf das Bett legte, um auszuruhen vor meinem geplanten Nachmittags-Trek auf einem als moderat beschriebenen Trail unweit des Parkhauptquartiers. Aber an Ruhe war nicht zu denken: der Verkehr an der nahegelegenen Straße von Ranau an die Küste fuhr buchstäblich durchs Zimmer.

Als ich mich in den Park aufmachte, waren Lodge und Berg schon in Wolken gehüllt – nicht ganz untypisch für die tropische Mittagszeit. Ich stellte das Auto auf dem Besucherparkplatz ab, bezahlte die Parkgebühr und machte mich mit einer Broschüre zum Trail auf den Weg. Der sollte nach wenigen hundert Metern von der geteerten Straße abgehen, tat er auch. Aber statt eines markierten Pfades (vielleicht mit Geländer ab und an?) fand ich einen steil ansteigenden Trail (im Sinne des Wortes).

Ein echter „Trail“ im Kinabalu-Nationalpark

Es ging über Stock und Lehm bergan, zudem hatte ich mit meinen knapp 65 (Alter, nicht Gewicht!) unterschätzt, dass ich in über 2000 Meter Höhe unterwegs war – straight up from the sea level. Nach einer Viertelstunde rutschend und an Ästen ziehend stellte ich mir die existenzielle Frage: Was mache ich hier eigentlich? Schnell noch ein Selfie als Beleg „I tried!“ und dann zurück zum Auto.

Erstaunlicherweise kamen mir malaysische Familien mit ihren Vans entgegen, die wohl tiefer in den Bergwald wollten. Warum wandern, wenn man fahren kann, dachte ich. Und tatsächlich gibt es einen einspurigen one-way-Rundweg mit Aussichtspunkten, den man abfahren kann. An einem, bei dem der Ausblick in den feuchten Wolken verdeckt war, fand ich eine Gedenktafel für die 18 Opfer eines Erdbebens (!) vier Jahre zuvor, die beim Aufstieg am Berg von Steinschlag getroffen worden waren. Der Mount Kinabalu ist bei Kletterern aus der Region beliebt, es werden nächtliche Trekkingtouren zum Sonnenaufgang am Gipfel angeboten.

Meine Rundfahrt endete wieder am Park-Hauptquartier. Ich beschloss noch am späten Nachmittag nach Kota Kinabalu zurück zu fahren. In der Lodge erfand ich irgendeinen Vorwand, gab den Schlüssel ab und machte mich auf den gut vierstündigen Rückweg. In Tambunan begann nicht nur der Aufstieg der Straße in die Crocker Range, es wurde auch – typisch für die inneren Tropen – schnell dunkel. Das allein machte die Fahrt noch nicht zu einem Challenge, aber dann kam in den Bergen Nebel auf – und was für einer: nass und komplett undurchsichtig, auf einer kurvenreichen Straße im Dschungel. Hinter mir drängten tollkühne Locals, ohne dass sie hätten überholen können. Mir fiel ein Stein vom Herzen, als die Lichter der südlichen Vororte Kota Kinabalus auftauchten und die Straße zu einem beleuchteten vierspurigen Highway mutierte. Gerade rechtzeitig kam ich zum letzten Drink vor Schließung an der Hotelbar an.

Am nächsten Morgen wollten meine Tischnachbarn, zwei tschechische Studierende an Universitäten in China wissen, wie der Ausflug war. I told the truth. Und bei Euch, fragte ich. Sie erzählten, dass sie bei Ebbe zu Fuß auf die benachbarte Insel hätten wandern können. Und das zwischendurch der Hotelgarten weiterhin von den Shootings für den Wettbewerb „Mr. Sabah“ belegt war. Ein Dutzend junge Burschen mit makellosen Körpern hätten in wechselnden Outfits an verschiedenen Locations posiert, was die Gäste aber nicht weiter gestört hätte.

Wir diskutierten, ob es irgendwo, vielleicht nördlich der Großstadt, einen Traumstrand gäbe. Ich hatte einen Tag gewonnen und machte mich auf die Suche. Am „Tip of Borneo“ fand ich ihn, aber das ist eine andere Geschichte.

2 Gedanken zu “Eine sinnlose Tour

    1. Es lief fast alles schief, stimmt! Tags drauf aber ein Paradies am „Tip of Borneo“. Aber auch das war beim Besuch im Sommer 2022 verschwunden (Du erinnerst Dich, als ich von Müll und Sturm schrieb 🙂

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