1,4 Mrd. – Von Menschen und Zahlen

Jeder fünfte Mensch zahlt mit Rupien, hat einen blauen Pass mit dem Ashoka-Löwenkapitell oder eine Aadhaar-Karte (eine Art Personalausweis). Indien ist das bevölkerungsreichste Land der Welt geworden, eine Tatsache, die in diesen Tagen weltweit für Schlagzeilen sorgt.

Nimmt man Bangladesh, Pakistan und Nepal dazu, beherbergt der Subkontinent zwischen dem Khyber Pass und Arunachal Pradesh mehr als ein Viertel der gesamten Menschheit.

Über diesen Ausschnitt des Globus fliegen kommerzielle Jets in drei Stunden hinweg: Er ist Heimat für 30 % der Weltbevölkerung!

Ist das nun Fluch oder Segen? Die Frage ist schon ein Witz, denn nach dem Ressourcenverbrauch zu beurteilen, ist jeder Europäer für den Globus eine 20-mal höhere „Belastung“ als ein Mensch auf dem Subkontinent.

Viel problematischer ist es, dass der – historisch gesehen -größtenteils von den Industrieländern bewirkte Klimawandel diese vergleichsweise kleine Fläche des gesamten Globus überproportional trifft. Kleinste Schwankungen der Monsune, von dem der Subkontinent abhängt, kann große Not verursachen. Aber Zyklone, Hitzewellen (schon derzeit im Osten Indiens über 40 Grad, im Mai wird es überall 40+ Grad werden) und tagelange Wolkenbrüche gefährden schon jetzt Küsten und Flusstiefländer.

Aber Segen? Nun ja, vor ein paar Tagen berichtete die „Börse vor Acht“ in der ARD, über dieses „faszinierende Land“: das weltweit höchste Wirtschaftswachstum in 2023, eine junge Bevölkerung (42 % sind unter 25 Jahre, eine Million Schulabgänger treten jährlich auf den Arbeitsmarkt) und ein rapider Ausbau von Industrie und Infrastruktur („Make in India“-Kampagne der Regierung).

Da reiben sich die Industriemanager und Börsenstrategen in den überalterten „Restregionen“ des Globus die Hände: Die alle wollen einen Kühlschrank, ein Auto oder einen Fernseher.

Ich bin mir nicht sicher, ob diese Rechnung aufgeht, nicht für den Globus und nicht für die Menschen an Indus und Ganges. Denn einige wenige fahren den Zweit-Ferrari, andere sind froh, wenn sie eine Rikshaw ziehen können. Wenn Bildungs-Chancen und Wohlstand nicht allen ausgewogen zugute kommen, explodiert der Subkontinent irgendwann. Daran kann dann unsere Export- und Outsourcing-Offensive auch nichts ändern.

Mit demokratischer und föderalistischer Tradition (Unity in Diversity), dem Gandhi’schen Entwicklungsverständnis (self reliance) immer noch in Resten vorhanden und insgesamt einer optimistischen (against all odds) Einstellung, der man bei jungen Inderinnen und Indern begegnet, hat Indien durchaus eine gute Chance, die Herausforderungen zu bewältigen. Aber ein Warnzeichen scheint zu sein, dass das Land auf dem World Happiness Index immer weiter abfällt und 2022 auf einem der niedrigsten Plätze Asiens landet. Das sollte der derzeitigen Regierung zu denken geben.

https://www.nytimes.com/2023/04/19/world/asia/india-china-population.html

https://www.nytimes.com/interactive/2023/04/19/world/asia/india-china-population.html