Warum ausgerechnet wir? Ihr Lieblingsbaum vorm Küchenfenster war durch einen Sturm entwurzelt worden, uns trifft keine Schuld. Und doch sind wir Opfer von Kolonialismus und Imperialismus.
Es geht morgens bei Sonnenaufgang los. Die Verwandten der Dinosaurier zirpen im Alarmmodus vom Dachfirst über dem Schlafzimmer. Aufgeregt fliegen, nein flitzen sie hin und her, und verlieren nicht nur ihre Morgentoilette auf dem Glasdach vor dem Hauseingang, sondern auch oft Gras und Moos aus dem vollen Schnabel. Man kann ja nicht genug kriegen an Baumaterial fürs Nest unterm Dach des Nachbarn. Mein Haus ist beliebte Zwischenstation, bevor es durch einen engen Spalt unters Dach geht. Und Zirpen und Gras schleppen geht halt nicht gleichzeitig.
Wir fegen, saugen oder waschen das Vordach alle paar Wochen, aber es sieht exakt fünf Minuten danach fast so aus wie vorher. Über die Zeit verstopft sich die Dachrinne und das Regenwasser fällt wie eine nasse Wand vom Vordach auf die Blumenkübel, welche wir mit viel Liebe mit buntem Blühenden füllen.
Wenn es ja wenigsten bunte Papageien wären (die K.I. hat meine Spatzen mit dem Hinweis „Birds on the roof“ tatsächlich so gezeichnet, siehe Foto oben). In diesem April war es verdächtig ruhig. Mein Nachbar meinte, er habe die Kolonie an seinem Haus mit Klopfen vertrieben.
Hoffnungsvoll bestellte ich vorige Woche einen Dachdeckerbetrieb zur Reinigung der Rinnen. Der Meister sah sich alles an, meinte vorsichtshalber „Gegen Spatzen können Sie nichts machen. Sind die denn jetzt weg?“ Ich bejahte, aber als hätten sie die Attacke auf ihre Wartestation geahnt, setzten sich welche während unseres Gesprächs auf die Dachrinne. Der Meister schmunzelte, versprach aber sein Bestes zu tun.
Gestern kamen zwei schlacksige junge Männer in Sonnenbrillen und mit einer hydraulischen Hebebühne. Sie sahen aus wie Tom Cruise und sein Kumpel bei „Mission Impossible“. Und die war es: Verbackene Sedimente holten sie aus den Dachrinnen. Ein sogenannter Spatzendraht, Meterware zu 8 €, wurde unter die erste Reihe Dachpfannen gespannt. Nach eineinhalb Stunden sahen Dach und Vordach frühjahrsputzmäßig aus. Wir waren zufrieden, auch die Nachbarn, die sich vor meinem Haus zu fachmännischen (kein gendern notwendig!) Anregungen versammelt hatten. Nicht jeden Tag steht bei mir eine hydraulische Hebebühne in der Einfahrt. Es war ein guter Tag, die Sonne schien und die Arbeiten waren so vor Ostern noch erledigt.
Aber dann heute Morgen das böse Erwachen: Zuerst dachte ich, mein Nachbar zur Linken – Heimwerker vor dem Herrn – wäre schon am frühen Karfreitag am Klopfen und Hämmern. Weit gefehlt: Spatzen, Stare und die ganze Vogelschar waren auf meinem Dach, als gäbe es kein(en) Morgen. Länger Schlafen? Bei dem Lärm nicht drin.
So gehe ich in die Feiertage voller Resignation und hoffe nur, dass die Vögel sich nicht wie in Hitchcocks gleichnamigen Film beim Verlassen des Hauses auf mich stürzen.
Lieber ein Spatz in der Hand, als hundert auf‘m Dach … oder so
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Herrlich geschrieben, auch wenn ihr mir ein bisschen leid tut. In unserer Gegend gibt es übrigens keine Spatzen mehr. Auf Reisen und Ausflügen freue ich mich immer sehr, die Vögel zu sehen, und füttere selbst die Aufdringlichsten auf Caféterrassen 😉.
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Oh, ich wünschte ich könnte dir welche abgeben 🙂
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