Wenn Bäume sprechen könnten

Ich fand sie nach einigem Suchen unterhalb der Bergstraße. Sie hatten sich in einem Wadi versteckt, nahe einer Wasserstelle. Das Plätschern war bis hier oben zu hören.

Ein paar Dutzend von ihnen standen eng zusammen, jetzt in der Trockenzeit ergraut. Selbst die grünen Akazienbüsche wirkten frisch dagegen. „Wir werfen Laub und Früchte rechtzeitig ab,“ meinte einer der freundlichen Riesen. Sein Gesicht am Fuß des Stamms war zerfurcht. So ist das, wenn man 200, 400 oder gar 1000 Jahre alt ist. „Die Trockenzeit macht uns nichts aus“, fuhr er fort. „Und überhaupt, mit meinen Wurzeln komme ich fast an das Flüsschen.“ „Das reicht allemal für ein Schlückchen“, schmunzelte sein Freund.

Die beiden und die anderen der Gruppe können von hier oben am Abhang des Dhofar-Gebirges weit aufs Arabische Meer schauen. Auf einer Freifläche etwas weiter unten grasen Kamele. „Kommt mir vor wie gestern, als hier die Segelschiffe der Europäer zwischen Aden und Hormuz entlang fuhren“, seufzte ein Dritter aus der Gruppe. „Man konnte sich bei gutem Wind immer darauf verlassen, ein Segel zu sehen.“

Heute passiert der eine oder andere Tanker aus dem Golf die Küste, meist aber Containerschiffe mit Krimskrams für die Märkte am Roten oder Mittelmeer. „Sehen alle gleich aus mit ihren gestapelten Kisten an Deck.“

Die Gruppe war sich einig: Wenn im Juni die feuchten Nebel des Monsuns ausbleiben, der hier an der Küste von Dhofar entlang streicht, dann ist es aus. „Wir können Trockenheit, aber nicht unter allen Umständen,“ sagte einer in der Gruppe weiter oben. Verschiedene seiner Freunde beklagten Krankheiten im Geäst und am Stamm. „Gab es früher nicht“, nickten alle.

Mit ihren Freunden auf Sokotra, Madagaskar oder im semiariden tropischen Afrika hatten sie schon lange keinen Kontakt mehr. Überhaupt konnte sich keiner erinnern, wie sie auf die Arabische Halbinsel gekommen sind. Vielleicht wurden Früchte von drüben einmal weggeworfen und fassten dann Wurzel, so die gängige Meinung in der Gruppe.

Einige Vögel weckten mich mit ihrem Gezwitscher aus meinem Traum. Die Baobab-Bäume standen stumm um mich herum und schauten mich mitleidig an: Ist schon kurz, so ein Menschenleben, schienen sie zusagen. Du suchst einen Ruhewald? Komm zu uns. Ich werde es mir überlegen.