Der Kanzler sucht Energie in Kanada, ich habe mich zu meinem wöchentlichen Spaziergang in unser nahegelegenes Emirat aufgemacht, welches sich auf Holzlieferung spezialisiert. Keine Pipeline, kein Tanker, nur ein Anhänger ist notwendig, um den Energieträger ins Heim zu transportieren.
„Ist Holz das nächste Klopapier?“ fragte kürzlich ein deutsches Nachrichtenmagazin. Gegen eine solche Abwertung wehrte sich die Posteiche, die den Zugang zum Wald kontrolliert. Ich kenne sie seit gut 25 Jahren, ihr Name steht auf einem Schild, das mit Graffiti verunstaltet wurde. Sie wirkt gelassen, hat sie doch schon fast 100 Jahre lang das Kommen und Gehen beobachtet. Die Sonne blinzelt durch ihre Äste, ich setze mich auf eine Bank gegenüber.


Erst kamen die Jäger und Wilderer, dann die Wanderer, gefolgt von Mountainbikern und jetzt immer mehr die Holzaufkäufer. „Wir sind heute gefragter Energielieferant,“ wispert sie nicht ohne Stolz und verweist auf die Holzstapel überall an den Wegen.
Das Emirat heißt eigentlich Oderwald, hat eine eigene Wikipedia-Seite und ist ein genossenschaftlich bewirtschafteter Mischwald. Früher wurden die Stämme in der Frostperiode geschlagen und am Wegesrand zum Abtransport gelagert. Heute geschieht dies fast rund ums Jahr. Trockenheit und Borkenkäfer lassen für die Kiefer- und Fichtenbestände, die wie Inseln zwischen Eichen, Buchen oder Erlen wuchsen, keine Überlebenschance mehr. Diese Rodungsinseln sind mit Laubbäumen aufgeforstet.
Über Jahrhunderte waren wir kostbarer Bodenbelag in Palästen, formten edles Mobiliar in Bürgerhäusern oder wurden zumindest Kirchenbänke, klagt die Posteiche. Sogar Furnier ist besser als im Kamin zu landen.
„Ein Raummeter trocken & ofenfertig kostet derzeit 120 €,“ versuche ich zu trösten. Das ist doch auch wertvoll und 30 % mehr als noch vor einem Jahr. Ja, seufzt sie, alle sehen in uns nur Heizmaterial. Dabei liefern wir Sauerstoff, binden Kohlendioxid und sehen auch im späten Alter einfach gut aus. „Und wir sind nachwachsend“ fügt sie hinzu – das können die Öl-Emirate nicht bieten.
Meine Gedanken sind wo anders: Mit 10 bis 15 Raummetern Holz könnte ich meinen Brennwert für ein Jahr eindecken. Ich müsste meine Garage nur einmal im Jahr mit zehn oder 15 „Würfeln“ von 1 m x 1 m x 1 m Holz füllen – fürs Auto wäre kein Platz mehr. Dabei habe ich nicht einmal Anhängerkupplung und auch keine Kettensäge oder Axt, und schon gar keinen Kamin. Wer spaltet das Holz und schleppt die Scheite nach oben? Den Gedanken lasse ich fallen.

Bei meinem Rundweg sehe ich Haufen an Haufen von Kieferstämmen, 3,50 m oder 8 m lang. Sie sind zum Abholen markiert und landen dann irgendwo im Keller und im Kamin. Früher waren sie für die Produkte eines schwedischen Möbelhauses bestimmt, aber die lassen sich ja jetzt auch verheizen.

„Komm doch mal zum Waldbaden“ säuselt die Posteiche, als ich auf dem Rückweg wieder an ihr vorbei komme. „Und gerate mir nicht auf den Holzweg!“ „Versprochen!“ rufe ich zurück.
Die Posteiche soll mal bitte gut aufpassen, dass ihr keine Gauner zu nahe kommen
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Hab ich ihr gesagt, aber sie ist ziemlich knorrig. Immerhin, das hat sie zugegeben, Holzdiebstahl ist auf dem Vormarsch 🙂
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