Pilger(n)

In der Halle meines Hotels am Flughafen Kuala Lumpur wartete eine Pilgergruppe auf den Transfer zum Terminal. Ich gesellte mich zu ihnen. Sie waren auf dem Weg nach Saudi-Arabien, zum bevorstehenden Eid al Adha. An diesem Feiertag gedenken die Muslime dem Opfer Abrahams, der bereit war seinen Sohn Isaak für Gott hinzu geben.

Ich unterhielt mich mit einer Frau, die mit ihrer Mutter unterwegs war. Die ganze Familie freute sich auf die 14-tägige Reise an die heiligsten Orte des Islam. Sogar mein Vermieter in Melaka schickte mir per WhatsApp gute Wünsche zum Fest.

Pilgern ist Bestandteil der allermeisten Religionen: Buddhisten pilgern nach Sarnath und Bodgaya, Hindus nach Varanasi und Rameswaram, Juden zum Tempelbezirk in Jerusalem, Christen aller Konfessionen nach Palästina und Israel. Und Katholiken an die Erscheinungsorte von Maria oder diversen Heiligen, von Fatima bis Lourdes oder Santiago de Compostela (um nur die in Südwesteuropa zu nennen).

Man geht davon aus, dass Pilgern nicht nur die älteste aller Reiseformen ist, sondern dass es auch Verkehrslinien und Wohlstand der Zielorte prägte. Was wäre Köln im Mittelalter ohne den Drei-Königsschrein gewesen? Und wer kennt nicht den Jakobsweg? In Indien ist es die Nationalstraße 7 von Varanasi an das Südkap, deren Bedeutung als Pilgerweg begann. Pilgern in Gruppen als kollektive Erfahrung, Pilgern allein als innere Erfahrung.

Die Pilger suchen Erleuchtung, Erlösung oder doch wenigstens Erbarmen. Hindus scheren sich die Haare für ein Gelübde, welches sie auf die Pilgerreise mitnehmen. Hape Kerkeling’s Buch „Ich bin dann mal weg“ hat eine ganze Pilgerbewegung auf den Jakobsweg ausgelöst.

Beim Blick auf die Pilger in der Hotelhalle in Kuala Lumpur kam mir der Gedanke, ob nicht alles Reisen eine Art Pilgern ist. Wir suchen Erholung, Abwechslung, Erkenntnisse, Erfahrungen, die uns im Alltag daheim weitertragen. Das muss keinen metaphysischen Anlass haben, es genügt an Geist und Seele gesunden zu wollen.

Mag sein, dass Touren an die Playa de Palma nicht der Erleuchtung dienen, sondern der kollektiven Ekstase. Und Erlösung von Langeweile, Alltagstrott oder Home Office zu suchen, ist ein guter Grund an Urlaubsorte zu ‚pilgern‘. Vielleicht ist Pilgern überhaupt der Urzustand unserer ganzen Existenz.