Eine Welt – virtuell

Ich höre „Lieblingshits“ im ARD-Nachtprogramm zum Frühstück in Malaysia (nur der Stau zwischen Saarlouis und Saarbrücken bei den Verkehrsmeldungen scheint etwas out of place). Gleichzeitig in weit entfernten Räumen zu sein hat etwas wie bei Back to the Future. Meine Kreditkartenfirma Zuhause teilt mir Sekunden nach jeder Grab-Fahrt in Melaka mit, dass mein Konto gerade mit 2,50 € belastet wurde. Die Bezahlung erfolgt automatisch, man kann aber dem Fahrer noch fünf Sterne auf der App geben.

Als ein „Kind der 1970er“ was Reisen betrifft bin ich immer noch erstaunt und fasziniert von der virtuellen einen Welt. Auf dem Handy in der Hosentasche, während ich durch die Läden an der Jonker Street in Melaka schlendere (nun gut, bei gefühlt 39 Grad – sagt meine Wetter-App – und Maske auf, Maske ab), tauchen die WhatsApp-Nachrichten auf – ich rufe aus dem Auto zurück und lasse dabei die Klimaanlage laufen.

Einst mussten wir dauernd Bargeld zählen, sorgfältig die Traveller-Schecks am Körper aufbewahren und das Rückflugticket in irgendeinem Büro rückbestätigen. Heute checke ich per Handy ein und habe dort auch den Boarding Pass als QR-Code gespeichert. Statt Bargeld genügt eine Plastikkarte.

Alles ist irgendwie easy, gleichzeitig und doch unwirklich. In Deutschland wird es heute heißer als hier, dicht am Äquator. Es fällt schwer, in der virtuellen Realität die reale Welt wahrzunehmen. Das Navi spricht zu mir in Deutsch, wenn es mir erklärt, im Kreisverkehr voraus die zweite Ausfahrt in Richtung Jalan Melaka Raya zu nehmen (die weibliche Stimme sagt dschälän).

In einem Restaurant gestern wollte ich süß-saures Hähnchen mit braunem Reis bestellen, das sollte ich auf einem Bestellbogen mit 5-Punkt großer Schrift ankreuzen (ich hatte meine Lesebrille nicht dabei). Ich rief eine Bedienung, die bedauerte, man habe weder Chicken noch braunen Reis. Da kam mir der vorlaute Roboter, der am Nachbartisch das Essen servierte, wie eine alberne Erfindung vor. Ich verließ das Restaurant, Essen geht leider noch nicht virtuell.

Ronny vom MDR-Studio Dresden hat ein Lied aufgelegt, „Take me where the sun is shining„. Über der Straße von Malacca geht die Sonne auf. Ich muss mich kneifen.

3 Gedanken zu “Eine Welt – virtuell

  1. manch digitale Unterstützung macht das Reisen deutlich einfacher (Navi, Payment, Translator), aber die bleibenden Erinnerungen entstehen konventionell / analog. Zum Beispiel bin ich in Kuba mal von einem Motorad-Polizisten gestoppt worden , weil ich verbotenerer Weise gewendet habe. Das vergesse ich nie … 😉

    Gefällt 1 Person

Die Kommentarfunktion ist geschlossen.