Ein Bild vom gutmütigen Vulkan

Wir alle hängen uns Bilder an die Wand: von Dingen, an die wir schöne Erinnerungen knüpfen oder die uns einfach gut tun. Das gilt auch für andere Regionen der Erde. Am Straßenrand in Yogyakarta fiel mir einst ein Bild auf, das viel aussagt über das Verhältnis Mensch und Natur auf Java. Denn in Sichtweite der Millionenstadt erhebt sich einer der gefährlichsten Vulkane auf dem Globus.

Eine Frau, die Bilderrahmen zimmerte, hatte den eingerahmten Druck am Straßenrand an einen Baum gestellt. In der oberen Bildhälfte vor überwiegend blauem Himmel tront der Merapi über einer Landschaft aus Bambushainen und Reisfeldern. Ein kleiner Fluss mäandriert friedlich bis an den unteren Bildrand. Im Mittelgrund stehen die Reisfelder noch unter Wasser, aber im Vordergrund sind sie reif zur Ernte. Vor einer mit Palmgeflecht bedeckten Hütte arbeiten zwei Figuren schon an der ersten Ernte, eine weitere, ebenfalls mit einem Reisstrohhut auf dem Kopf, geht auf einem Feldpfad auf die beiden zu. Eine Szenerie voller üppiger Landwirtschaft und Fruchtbarkeit.

Und genau so sehen die Javaner den Merapi und überhaupt ihre Vulkankegel. Während bei uns das Gefährdungs-Narrativ vorherrscht, schauen sie auf die lebenspendende Wirkung des Vulkans. Seine Unberechenbarkeit kennen sie, aber so ist das mit Göttern (sonst wären sie keine). Um ihn friedlich zu stimmen, bringen sie einmal im Jahr Opfergaben an den Krater.

Man kann sich gut vorstellen, wie ein solches Bild die „gute Stube“ auf Java schmückt. Und bevor wir Aufgeklärten uns darüber lustig machen: Bis vor wenigen Jahrzehnten gab es auch noch den röhrenden Hirsch vor Alpenlandschaft in unseren Wohnzimmern. Bevor unsere Wälder vertrockneten und die Voralpen zersiedelt wurden, „huldigten“ wir so der Illusion einer heilen Landschaft.