Ich weiß noch wie stolz ich war, als ich den kleinen, hellblauen Pass in der Hand hielt: Der Laissez-passer mit dem Symbol der Vereinten Nationen drauf erlaubte mir diplomatische Immunität auf Reisen. Und rund um die Welt musste ich das tun, weil mein Arbeitgeber in New York und mein Dienstort in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesh lag.

Die UN-Organisation ist ein weit verzweigtes Netzwerk von Sonder- und Unterorganisationen – von UNICEF über WHO bis UNESCO – mit Headquarters nicht nur in New York, sondern in Genf, Wien, Nairobi oder Rom. Dazu gibt es regionale Repräsentanzen in mehr als 100 Ländern. Meist werden sie vom Resident Representative der UN-Entwicklungsorganisation UNDP geleitet, der damit diplomatischer Vertreter des UN-Generalsekretärs in den jeweiligen Hauptstädten ist. Auf den hatte ich meinen Diensteid abgelegt und für UNDP war ich drei Jahre lang Ende der 1980er Jahre als Junior Programme Officer in Dhaka.

Es war eine Ehre für diese internationale Organisation zu arbeiten, unser Büro in Dhaka war eine der größten Repräsentanzen weltweit. Meine Kollegen kamen aus den Niederlanden, Dänemark, den USA, Japan, der VR China, Australien oder Kanada. Unsere technischen Experten für die verschiedenen Entwicklungsprojekte stammten aus Indien, Jamaika oder Afghanistan. Einfühlsamkeit für solch unterschiedlichen Denk- und Arbeitskulturen war gefragt, bürokratische Penibilität in der Ausführung und zugleich Kompetenz beim Projektmanagement.



Der traurige Zustand jener Friedensorganisation kommt dieser Tage wieder ans Licht. Ein ständiges und Veto berechtigtes Mitglied des UN-Sicherheitsrates greift ein anderes souveränes Land ohne Grund an – und die UN schauen zu. Das ist nicht ohne Präzedenz, denn genau dies tat ein anderes ständiges Mitglied des Sicherheitsrates im März 2003 auch: Mit einer verlogenen Präsentation in dessen Tagungsraum wurde der längst geplante Angriff auf einen anderen souveränden Staat gerechtfertigt.
Ich war zufällig im März 2003 in New York und hatte mich an einem eiskalten Morgen zu einer Besichtigung des UN-Headquarters angemeldet. Haufen gefrorenen Schnees lagen noch an der First Avenue und die Übertragungswagen der Fernsehsender waren für die Nachrichtensendungen auf Stand-by.

Wir waren die erste Gruppe, die um 9 Uhr durchs Gebäude geführt wurde. Auf den Fluren kam uns die deutsche Oppositionsführerin und spätere Kanzlerin entgegen, im Sicherheitsrat versuchte unser Außenminister in der rot-grünen Koalition seine Zweifel am Kriegsgrund zu formulieren. Wir konnten einen kurzen Blick in den berühmten Raum mit dem runden Tisch werfen, wo gerade ohne Öffentlichkeit getagt wurde.
Der Niedergang der UN ist also schon fast 20 Jahre alt. Trotzdem, eigentlich sogar umso mehr, gewinnen die Sonder- und Unterorganisationen größere Bedeutung. In der Pandemie war die WHO ein unverzichtbares Gremium für viele Länder, die nicht über eigene medizinische Kompetenzen verfügen wie unsereins. Der UNHCR übernimmt die führende Stimme in der Flüchtlingspolitik, FAO und WFP warnen eindringlich vor der gobalen Hungerkrise und das Kinderhilfswerk UNICEF hat das Schicksal von Kindern weltweit im Auge – schon seit Jahrzehnten. Als Koordinator im Hintergrund wirkt das UNDP, desen Chef in New York zur Zeit ein Deutscher ist. UNIDO, ILO, UNESCO sind weitere Sonderorganisiationen, die eine wichtige und glaubwürdige Stimme auf der Welt haben. In unserer Öffentlichkeit herrscht zuweilen Zynismus über den hohen Anspruch der UN – Journalisten haben es leicht, auf eine wenig effizient erscheinende supranationale Organisation einzudreschen, die sich nicht in jedem der fast 200 Länder der Erde dagegen wehren kann.
Mit ihrer Gründung und Verabschiedung der Charta im Jahr 1945, am Ende eines globalen Krieges, verband sich die Hoffnung: Nie wieder! Fast 80 Jahre später (oder vielleicht auch schon viel früher) ist diese Hoffnung verschwunden. Schlimmer noch: sie wurde willkürlich zunichte gemacht.