Der kleine Hunger zwischendurch?

Dabei wird es sicher nicht bleiben: Nach Angaben des Welternährungsprogramms (WFP) droht eine weltweite Hungersnot nie dagewesenen Ausmaßes. Denn die Kriegsparteien in Osteuropa kämpfen nicht nur um ihre eigenen Ziele, sie nehmen mit dem Zusammenbruch der Getreideversorgung und der Düngemittelproduktion gleich einen großen Teil der Welt mit sich. Dabei sind Ernteausfälle wegen des Klimawandels oder Devisienknappheit wegen des Zusammenbruchs des Welthandels (Tourismus inklusive) gar nicht mit einbezogen.

Man mag das als typische Kassandrarufe abtun und tatsächlich sind die Menschen im Sahel, in Ostafrika und in Teilen des Nahen Ostens resilienter als wir. Aber auch Resilienz (man könnte es mit „Leidensfähigkeit“ übersetzen) hat Grenzen. Ansonsten nicht verarmten Staaten wie dem Libanon oder neuerdings Sri Lanka, immerhin die „Perle des Indischen Ozeans“, droht der Kollaps.

Gerade an dem „Tropenparadies“ lässt sich eine fehlgeleitete Politik illustrieren: ein Familienclan an der Regierung, Korruption, hohe Staatsverschuldung, katastrophale Agrarpolitik (Verbot des Einsatzes von Düngemittel, um als „nachhaltiges Agrarland“ zu gelten), Inflation, Pandemie bedingt ausbleibender Tourismus, nicht bewältigter Bürgerkrieg – mithin the perfect storm.

Inzwischen verbieten Indien den Export von Weizen und Indonesien den Export von Palmöl. Beide Maaßnahmen sind auf den Inlandsmärkten aber wirkungslos und bringen erfolgreiche Sparten der Agrarwirtschaft zum Kollaps. Thailand und Myanmar fallen demnächst, Ägypten und Tunesien sind hoch gefährdet, von den schon längst unter Dürre leidenden Ländern Ostafrika mag man gar nicht reden.

Während wir auf Milliarden für Marder und Mariupol konzentriert sind, wachsen die Spannungen in vielen Teilen der Welt. Ich war jahrelang in der Entwicklungsarbeit tätig. Mir wird Angst bei dem Gedanken, dass wir zurück zur Stunde Null gehen. Der Krieg in Osteuropa hat aber nur offen gelegt, was vermutlich früher oder später ohnehin durch den Klimawandel aufgetreten wäre. In unserer Vollversorgungsmentalität vergessen wir, wie prekär die Lage in anderen Teilen der Welt (und auch in Teilen unserer Gesellschaft) ist.

Es gibt ein historisches Beispiel: Mitten im Zweiten Weltkrieg, 1943, gab es in Bengalen, der Reiskammer (damals Britisch-) Indiens, eine katastrophale Hungersnot (siehe Wikipedia-Artikel). Die Parallelen zu heute sind schockierend.

Sri Lanka is the first to fall in a global debit crisis. The Guardian online, 9. Mai 2022

3 Gedanken zu “Der kleine Hunger zwischendurch?

  1. Danke für den Bericht, so langsam erreicht das Problem ja auch die Nachrichten hier vor Ort, aber ich glaube viele Menschen zucken mit den Schultern, weil das hier „nicht hier“ ist stattfindet … bis diese Menschen dann aber mal an der Grenze stehen … dann ist wieder großes Helau und man ruft nach „Fluchtursachenbekämpfung“

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    1. Ich stimme Deiner Beobachtung voll zu. Die wirklich Hungernden haben nicht die Kraft zu uns zu kommen, der verarmte Mittelstand in vielen Ländern ist es, der sich zu uns aufmacht. Brot für die Welt kann man da nur sagen.

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      1. Das hasst du Recht, klar. Mobilisieren können sich nur die mit Beziehungen und dementsprechenden Budget. Die immobilen, armen Menschen haben keine Chance oder sind von Almosen vor Ort oder von den NGOs angewiesen. Furchtbar.

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