Unser Wochenrhythmus wird geprägt von gelben, grünen und grauen Mülltonnen. Ihr regelmäßiges Erscheinen und Verschwinden vor dem Küchenfenster gibt dem Leben Halt in einer Zeit, in der die alte Ordnung zusammenbricht. Ansonsten verstecken oder tarnen sie sich in Reihenhäusern oder Doppelhaushälften unserer Siedlung. Zum Wochenende zerren ihre Besitzer sie an die Straße. Ganz nach Plan?
Mittwochs dominieren die gelben Tonnen, arrogant, groß – Wertstoff, paaah. An Wochenenden kommen die armen Verwandten in grün und grau. Dann beginnt der Reigen schon am Donnerstagmittag. Rentner harken im Garten und fegen die Einfahrt, damit die grüne Tonne frühnachmittags gefüllt in Reih und Glied bereitsteht. Nach und nach wächst die Reihe, am Nachmittag etwa folgt dann der „öffentliche Dienst“ aus den Doppelhaushälften. Der spätere Nachmittag ist reserviert für die Berufstätigen mit Überstunden. Und abends, gerade wenn die Tagesthemen über den Bildschirm flimmern, poltern die Tonnen der Schichtarbeiter oder Verkäuferinnen im Einzelhandel ums Haus herum. Alle zwei Wochen steht vor Mitternacht eine grüne oder graue Abfallarmee zur Parade bereit.

Am Freitagmorgen weckt uns der rumpelnde Müllwagen, ein Geräusch der Zuverlässigkeit kommunaler Dienstleistung. Uns Bürgern tut das gut, den Tonnen nicht. Sie werden von den Männern in orangenen Anzügen hochgeschleudert und fliegen entleert zurück auf den Bürgersteig. Zurück bleibt ein Chaos aus grünen und grauen Helden, sozusagen aus Gebirgsjägern und Infanterie.
Aber dann beginnt ein zweites Drama, das sich bis über den Sonntag, meist bis Dienstag hinzieht. Die Tonnen stehen durcheinander und wie verloren auf dem Gehsteig. Nur langsam lichten sich die Reihen. Am Abend, nach rund zwölf Stunden, ist ein Großteil zurück im Versteck. Aber viele Halbwaisen übernachten an der Straße. Niemand hat sie bislang vermisst, so scheint es. Wer im Laufe des Samstags sein Haus nicht findet, der verbringt das Wochenende auf der Straße.
Es ist das harte Los von der Tonne 25f. Sie trauert den ganzen Sonntag vor unserem Fenster, und auch Montag früh steht sie verlassen da. Fällt übers Wochenende kein Müll an? Immerhin irgendwann erbarmt sich die junge Frau aus 25f und holt sie ab. Wohl weil der Mülleimer im Zwischenlager voll geworden ist. Die arme Tonne hat nur drei Tage Zeit sich zu erholen, dann steht sie wieder ein langes Wochenende an der Straße.