Wenn es zur Frage kommt, wie der Krieg eskalieren könnte, werden alle in den Talkshows schmallippig. Keiner will Kassandra spielen, keiner will das A-Wort sagen.
Ich empfehle, den Film The Day After ins Programm aufzunehmen. Die „Tage davor“ verlaufen im Film, der in Kansas City und dessen Umland im US-Bundesstaat Kansas spielt, unheimlich ähnlich der heutigen Nachrichtenlage. Sozusagen nebenbei werden aktuelle Kriegsmeldungen aus Europa hörbar, bis auch in Kansas City die Sirenen klingen und die Kondensstreifen von Interkontinentalraketen am blauen Himmel zu sehen sind. Danach sind es nur noch 20 Minuten bis zum „Tag danach“.

Im Mai vor drei Jahren waren wir in Hiroshima. Ein unwirklich schöner Tag, mitten im intensiven Grün eines Parks steht eine Ruine. Hier war das sogenannte Epizentrum des Atombombenabwurfs am 6. August 1945.


Der Horror des 6.8.45 ist im nahegelegenen Peace Museum dokumentiert. Das sollte Mahnung genug sein, denkt man. Aber dieser Tage scheint es so, dass 1945 aus dem menschlichen Gedächtnis verschwunden ist und das Undenkbare debatierbar wird.
Aggressor und Opfer sind heute klar zu identifizieren. Damit ist auch einer Emotionalisierung freien Lauf gelassen, die keine roten Linien mehr kennt.
Ich hoffe auf bedächtige Strategen, Ratgeber, Experten (und besonders Militärs) auf allen beteiligten Seiten, diesen Wahnsinn schnell zu beenden, bevor ein Automatismus der Eskalation einsetzt. Unsere Kinder und Enkel könnten dann nicht einmal die Ruinen abzeichnen.

Das Atombomben-Szenario. T-online, 26. März 2022
Forgetting the apocalypse: why our nuclear fears faded… The Guardian online, 12th May 2022