Das fragten wir Praktikant(inn)en einst in unserer Firma. Altmodisch? Das war noch Anfang der 1990er Jahre. Damals gab es auf meinem Schreibtisch keine Schreibmaschine, sondern ein Diktiergerät. Mein Vorgänger hatte Briefe diktiert, die wurden formgerecht abgeschrieben, dreifacher Durchschlag. Unten drunter stand „Mit freundlichen Grüßen etc. (nach Diktat verreist)“. Ich fand das ein eindrucksvolles Zeichen für Bedeutung und Status in meinem neuen Job.

Mir kam das in den Sinn, weil wir gerade ein paar Staffeln von „Downton Abbey“ auf Netflix hintereinander schauen. Dabei geht es um eine von Standesdünkel geprägte aristokratische Gesellschaft im England um die Zeit des Ersten Weltkrieges. Neben kitschigen Dialogen („Sehr wohl Mylord“ oder „Ich bin Ihnen zu Dank verpflichtet, Mr. Carson“) spielt auch sozialer und technischer Wandel eine Rolle. So geraten die Küchenangestellten in Panik, wenn ein elektrischer Toaster oder Rührgeräte angeschafft werden. Es ist nicht nur Angst vor dem Jobverlust, sondern auch Angst der Älteren, den Jüngeren unterlegen zu sein. Hinzu kommt, dass neue Technik das gewohnte Gesellschaftsmodell in Frage stellt: Frauen können Autofahren, nicht nur der Chauffeur. Rührend komisch auch die Folge, als das Telefon das herrschaftliche Haus erreichte: der Chefbuttler übt in unbeobachteten Momenten das Ding zu bedienen.
Das hat sich in unserer Zeit fortgesetzt: Ein Computer auf dem Schreibtisch ersetzten Diktiergerät und die Sekretärin, die regelmäßig zum Fax laufen musste. E-Mail ersetzte das Fax, online-Zugang ermöglichten Recherchen, ohne dass man auf teure Nachrichtenagenturen angewiesen war. Fotos für die Zeitschrift wurden nicht als Dias per Post geliefert, sondern konnten als Datensätze herunter geladen und gleich in den digitalen Satz eingebaut werden. Der Beispiele aus dem Verlagswesen könnten Bände füllen. Und ganz am Schluss meiner Tätigkeit wurden die Daten in Indien zum Seitenaufbau und dann fertig zum Druck verarbeitet, vom Home Office ging es um den halben Erdball und zurück in die Druckerei in Deutschland.

Es lohnt sich, gelegentlich über all diese Veränderung zu reflektieren, die in der eigenen Lebensspanne passiert und bewältig wurden. Das hilft, den eigenen Platz in diesem Wandel besser zu verstehen. Dabei lassen sich all die negativen Folgen nicht wegdenken. Eine Postkarte aus Jordanien erreichte meine Enkelin nach fünf Monaten, ein Paket hätte sie in 24 Stunden erreicht. Paketboten rasen mit ihren Lieferwagen von Haus zu Haus, sitzen schon wieder im Auto, bevor man Danke sagen kann (dafür findet man ein E-Mail vor „Ihr Bestellung wurde ausgeliefert. Wie waren Sie mit der Lieferung zufrieden?“ Bewertung von einem bis fünf Sternen möglich).
Das Nebeneinander von Vergangenheit und Gegenwart wird in Ländern wie Indien oder Malaysia deutlich: In letzterem kann ich mich von einem Motorradfahrer per App abholen lassen, viele Fahrer sind in Hitze und Verkehrsgewühl völlig übermüdet. In Indien liefern Rikshaw-Fahrer auf dem Land frische Milch aus. Jetzt nerven die Kunden per Handy, wenn sie mit ihrem Pedalgefährt nicht pünktlich kommen. Und der Näher (welcher Mann kann bei uns eine Nähmaschine bedienen?) nimmt Rückfragen auch per Mobiltelefon an.

In der heutigen Informationsgesellschaft (oder je nach Standpunkt Missinformationsgesellschaft) wird der Einfluss von Technologie besonders deutlich. Bezieht in Downton Abbey Lord Crawley seine Informationen über die vom Butler zum Frühstück überreichte TIMES, bombardieren uns heute Handy- oder Laptop-Bildschirme unentwegt mit Nachrichten, Push-up Alarms und Eilmeldungen.
Zu meiner Studienzeit war z.B. eine Wochenzeitung wie DER SPIEGEL das Leitmedium („Montag ist SPIEGEL-Tag“). Man wusste, eine sorgfältige recherchierende und der politischen Bildung zum mündigen Bürger verpflichtete Redaktion lieferte einen Themenschwerpunkt und dazu sachliche Berichte und Analysen, die zum Diskussionspunkt in Kneipen und Mensa wurden. Auch alternative und konkurrierende Medien fühlten sich diesem Anspruch verpflichtet.
Heute muss sich jeder von uns selbst durch die digitale Informationsflut navigieren, wird von Schlagzeilen hinter Paywalls gelockt (oder bleibt lieber draußen vor) und sucht nach „Wahrheiten“ in den durch Werbung oder Datenklau finanzierten offenen Netzwerken von Twitter, Facebook oder YouTube. Dass hier ein nach „Mündigkeit“ suchender Bürger nur mit erheblichem Aufwand den sachgerechten Informationen näher kommt oder doch lieber bei seiner Lieblingsverschwörung hängen bleibt, haben die vergangenen Jahre und Tage hinreichend gezeigt. Und auch die klassischen Medien (mit Ausnahme der Öffentlich-Rechtlichen, sei angemerkt) sind im Konkurrenzdruck um Klicks und Werbeeinnahmen, was der unaufgeregten Hintergrundinformation zugegen läuft.
Alles führt ins Nichts, wenn der Strom ausfällt und die Handyakkus leer sind. Dann hilft nur das Buch im Regal. Dazu sollten wir wenigstens wissen, wo die Taschenlampen und Wolldecken liegen.