Da sind sie wieder auf den Fernsehschirmen, die Sirenen und Geschützblitze über einer nächtlichen Metropole. Diesmal ist es Kiew, vor wenigen Jahren war es Bagdad oder Aleppo. Und wieder sehen wir verstörte Gesichter, fliehende Einwohner, U-Bahn-Schächte als Schutzräume.
Vor 50 Jahren, im Dezember 1972 war eine ganz andere Stadt Ziel von massiven Bombenangriffen. Aber an die Bilder im Fernsehen erinnere ich mich sehr gut: B52-Flugzeuge, die ihre Bomben über Hanoi und Nordvietnam entluden.

Bei einem Spaziergang durch Hanoi kam die Erinnerung zurück. Mitten in der Stadt, auf einem Platz mit spielenden Kindern und Bäumen lagen die Trümmer einer B52, zusammen gelegt wie ein Puzzle. Das B.52 Victory Museum zeigt auch erbeutete Flugabwehrgeschütze. Es soll dokumentieren, wie der Heroismus eines armen Volkes einer Supermacht trotzt. Jenes arme Volk ist in der Dynamik der vietnamesischen Metropole nicht mehr zu erkennen und das Museum wirkt wie eine alte Filmkulisse.




Aber die Geschichte des Museums ist real, über das Bombardement vom Dezember 1972 fand ich einen Artikel im SPIEGEL-Archiv. Die aus großer Höhe abgeworfenenen Bomben sollten miltärische Ziele treffen (wir kennen das aus heutigen Verlautbarungen), fielen aber auch mitten in die Innenstadt von Hanoi. Zum Beispiel auf den Hauptbahnhof, ein Gebäude aus französischer Kolonialzeit. Der neugebaute mittlere Teil erinnert noch heute daran. Und es kamen Menschen ums Leben.

Dokumentiert sind die Bombardierungen im nahe dem Hauptbahnhof gelegenen Hoa Lo-Gefängnis, heute eine Gedenkstätte an den Krieg gegen Franzosen und Amerikaner. Dass zeitgleich zu den Bombardierungen dort abgeschossene US-Piloten gefangen gehalten wurden (sie nannten das Gefängnis „Hanoi Hilton“), ist nicht ohne bittere Ironie. Einer, der im Dezember 1972 schon fast fünf Jahre dort einsaß, war der spätere US-Senator John McCain (gest. 2018). Seine Fotos hängen in einem Raum, der den US-Piloten und Bombardierungen gewidmet ist.


McCain hat sich mit John Kerry (ebenfall Vietnam-Veteran) um die Aussöhnung mit Hanoi bemüht – und wurde von Donald Trump dafür denunziert.
Aus dem Stadtbild Hanois sind die Bombenschäden verschwunden (auf dem Land bleiben die Spuren noch lange sichtbar), aber ganz sicher nicht in den Köpfen der Vietnamesen. Wer je das Trauma einer Bombardierung erlebt hat, wird es ein Leben lang nicht los.