Die innere Verfassung bestimmt oft das Auftreten nach Außen. Das gilt für Einzelne wie für ganze Staaten. Solche mit föderalen Verfassungen, die regionale Autonomie ermöglichen, sind besser auf Angriffe von Außen vorbereitet, welche die nationale Souveränität untergraben sollen. Wir erleben das gerade in Osteuropa.
Die Bundesrepublik Deutschland, Australien oder Indien haben das bereits gelöst: Es sind föderale Staaten mit einer Machtbalance zwischen Zentral-/Bundesregierung und den Regionen/Bundesstaaten/-ländern. Dieses System kann regionale Eigenständigkeiten oder Besonderheiten unter einem Dach vereinen, Platz für Aushandlungen bleibt darunter genug. Sachsen mag sich eigene Schul-Curricula, kirchliche Feiertage oder Corona-Regeln geben, die sich erheblich von Niedersachsen oder dem Saarland unterscheiden können. Und in Indien haben sich neue Bundesstaaten gebildet, ohne dass die Republik auseinander gefallen ist.
Beispielhaft ist auch ein Land, das weit weg vom europäischen Kuddelmuddel liegt: Malaysia. Es ging 1963 mit dem Malaysia Agreement aus der britischen Kolonialherrschaft hervor und fasste vier Territorien zusammen: die Föderation (!) Malaya (Königreiche auf der gleichnamigen Halbinsel), die Insel Singapur (die sich zwei Jahre später wieder aus dem Verbund löste und heute ein blühender Stadtstaat ist) sowie die Staaten Sarawak (aus dem Herrschaftsgebiet der „Weißen Rajas“ entstanden) und Nordborneo (heute Sabah).

Dass dieser neue Staat Malaysia als Föderation, parlamentarische Demokratie und Wahlmonarchie (das Staatsoberhaupt wird alle fünf Jahre aus den Sultanen und Rajas von Malaya gewählt) bis heute stabil ist und prosperiert, hat mit dieser Verfassungskonstruktion zu tun. Die Bundesstaaten (repräsentiert durch die 13 + 1 Streifen in der Nationalflagge) haben eigene Parlamente. Dazu kommen Faktoren wie die multikulturelle Gesellschaft unter dem Dach einer mehrheitlich muslimischen Bevölkerung sowie eine günstige naturräumliche Ausstattung.

Ein Blick auf die Karte des durch das Südchinesische Meer geteilten Landes, das geographisch die Halbinsel Malaya und die beiden Staaten auf Borneo umfasst, ließe vermuten, dass kein starker politischer Zusammenhang existiert. Und tatsächlich beklagt man in Sarawak und Sabah oft, dass der größte Teil des malaysischen Wohlstandes aus den Ressourcen auf Nordborneo stamme (Palm- und Erdöl) und daher, wie es ein junger Tourguide mir einst sagte, die beiden Zwillingstürme der Petronas Towers in der Bundeshauptstadt Kuala Lumpur mit Fug und Recht Sabah und Sarawak genannt werden könnten.
1976 waren die beiden Bundesstaaten auf Borneo „degradiert“ worden, um sie mit denen in Malaya, wie Kedah oder Melaka gleichzustellen. Das war aber aus Sicht von Sarawak und Sabah unrechtmäßig, schon gar nicht entsprach es ihrem wirtschaftlichen Gewicht in der Föderation. In den vergangenen Monaten hat das Parlament in Kuala Lumpur diesen Status wieder auf den aus dem Malaysia Agreement angehoben und damit eine politische Forderung aller Parteien auf Nordborneo entsprochen. Die Federation of Malaysia besteht (wieder) aus drei gleichberechtigten Regionen mit entsprechender Autonomie: die Federation of Malaya, Sarawak und Sabah.
Es geht also, ohne Druck oder Einmischung von Außen, wenn der Verfassungsrahmen stimmt. Malaysia hat genug damit zu tun, die verschiedenen Ansprüche seiner Bevölkerungsgruppen (Malayen, Chinesen, Inder) politisch auszutarieren. Dagegen sind die sprachlichen und kulturellen Unterschiede etwa zwischen Russland und der Ukraine geradezu minimal. Es sollte also möglich sein, innerhalb der Ukraine und mit Russland Lösungen zu finden, die alle Ansprüche berücksichtigen.
Es sei denn, dies alles sind nur Vorwände für eine ganz andere Agenda.

Beitragsbild oben: das Parlamentsgebäude in Kuching, der Hauptstadt Sarawaks.