Einigkeit und Recht und Sum sum sum

Was haben das Deutschlandlied und das summende Bienchen gemeinsam? Den Dichter. Das habe ich am vergangenen Wochenende gelernt, als uns Sturm und Regen Richtung Wolfsburg verfolgten.

Kurz vor der Autobahnausfahrt zur glitzernden Autostadt gibt es eine nach Fallersleben, heute ein Stadtteil im Westen der VW-Metropole. Im Ortszentrum wandelt sich die Szenerie von Vorstadthäusern und Wohnblocks in eine frühneuzeitliche Idylle aus Fachwerk, Schlösschen und klassizistischer Kirche. Dazwischen ein Teich. Fotografieren war nicht möglich, der Regensturm trieb uns übers Pflaster die Treppe hoch in die Eingangshalle des kleinen Schlosses. Es beherbergt das Hoffmann-Museum, mit kostenlosem Eintritt, gesponsert von VW. Die Bilder hier sind im Museum mit meinem Handy entstanden.

Denn in jener Kleinstadt des Herzogtums Braunschweig-Lüneburg wurde 1798 August Heinrich Hoffmann geboren, der sich ab 1821 Hoffmann von Fallersleben nannte. Sein Elternhaus, ein ansehnliches Fachwerkhaus, ist heute ein gehobenes Restaurant.

Zeichnung von Hoffmanns Elternhaus (Hoffmann-Museum WOB)

Das Museum dokumentiert das keineswegs langweilige Leben jenes Dichters unserer Nationalhymne. Dass von ihm Dutzende bekannter Kinderlieder stammen, die ich noch vor Kurzem mit meiner Enkelin per Karaoke auf YouTube gesungen habe, wusste ich nicht. Ich sehe „Ein Männlein steht im Walde“ oder „Alle Vögel sind schon da“ mit ganz neuen Augen (und bitte mir die Bildungslücke selbst im späten Alter nachzusehen).

Hoffmann von Fallersleben war ein Kind seines Jahrhunderts. Gymnasium in Braunschweig, Studium (und Abbruch) in Göttingen, dann in Bonn, begeistert von der deutschen Sprachforschung (inspiriert von den Grimm-Brüdern), als Student in Verbindungen, die sich Freiheit und ein einig Vaterland auf die Fahnen geschrieben hatten und als Dichter ganz und gar politischer Schriften und Gedichte. Das kostete ihn Brüche in seiner Laufbahn, ja sogar politische Überwachung. Was heute deutschnational ist, war in der nach-napoleonischen Zeit, als die Fürsten ihre Privilegien und Macht restaurierten, subversiv.

Er querte auf seinem Lebensweg halb Mitteleuropa, von Breslau bis Bonn, von der Schweiz bis in die Niederlande. Zur Ruhe kam er als Bibliothekar in der Stadt Corvey, wo er 1874 starb. Die bismarcksche Reichsgründung hat er also erlebt, seine Liebe zur deutschen Sprache und sein Wunsch nach Einheit im deutschen Vaterland war zwar erfüllt. Aber im Alter wurde der revolutionäre Gedanke aus der Vor-März-Zeit auch mit einem nationalen Chauvinismus, sogar mit Antisemitismus durchsetzt.

Dennoch hat sich Hoffmann von Fallersleben einen akademischen, politischen und dichterischen Namen gemacht. Sein dreistrophiges „Lied der Deutschen“ schrieb er 1841 bei einem Aufenthalt auf Helgoland. Die zur gleichen Zeit erschienenen „Unpolitischen Lieder“ kosteten ihn die Professur in Breslau, ja sogar die preußische Staatsbürgerschaft. Das Deutschlandlied entstand im Kontext einer repressiven Politik, als das Streben nach Einheit und Freiheit noch ein subversiver Gedanke war.

1922 wurde Hoffmanns Lied Nationalhymne der Weimarer Republik. Die Nazis schnitten die ersten beiden Strophen vom historischen Kontext ab missbrauchten sie als Schlachtruf deutschen Überlegenheits- und Expansionswahns. Die dritte Strophe, die Einheit, Recht und Freiheit als des Glückes Unterpfand postuliert, aber behält bis heute Bedeutung und ist zurecht die Nationalhymne der Bundesrepublik.

Das Museum in Fallersleben setzt die Biographie des Hoffmann von Fallersleben in seinen historisch-politischen Kontext. Und damit wird auch sein Lied der Deutschen kontextualisiert. Das Museum nutzt die neue Lockerheit bei Schwarzrotgold, die sich seit der WM 2006 durchgesetzt hat, um die Bedeutung von nationalen Symbolen und der Hymne einzuordnen.

Es ist ein kleine Geschichtslektion nahe dem Standort eines Weltkonzerns, schnell zu übersehen beim Glanz der Automarke und ihrer Stadt. Aber dieses Stück Geschichte prägt unser politisches Dasein bis heute, sei es dass Staatsgäste in Berlin empfangen werden oder wenn wir Goldmedaillen in Beijing feiern.

Informationen:

Webseite des Museums auf der Seite der Stadt Wolfsburg