Jabal Akhdar – Dörfer am Abgrund

Staunt der Besucher noch über die gezackten Bergrücken, die kreuz und quer geschichteten Gesteinsplatten und die tief eingeschnittenen Täler, dann überrascht ihn vollends, wenn er inmitten dieser bizarren Landschaft von Schluchten, Wadis und Hochplateaus am Jabal Akhdar kleine Dörfer mit terrassierten Feldern und Gärten am und im Abgrund sieht. Kaum vorstellbar, wie sich diese Nester versorgen können.

Ich bin von Dhofar zurück nach Muscat geflogen und von dort gestern in Richtung Nizwa auf den Jabal Akhdar gefahren. Um diese in 2000 m Höhe gelegene Landschaft zu erreichen, muss man eine extrem steile, aber bestens ausgebaute und durchgehende beleuchtete Straße bewältigen. Am Beginn des Anstiegs werden Auto und Fahrer kontrolliert (4WD = Allrad ist vorgeschrieben). Der Jabal Akhdar liegt im Zentrum des Hadschar-Gebirge (ein Wikipedia-Artikel dazu ist empfehlenswert), welches den Oman an der Nordküste von West nach Ost durchzieht.

Heute ist das Hochplateau ein zersiedeltes Rückzugsgebiet für die im Sommer hitzegeplagte Metropole Muscat, aber einst war es Lebensraum für kleinstbäuerliche Gruppen, die mit mühsam in den Fels gehauenen Terrassen und ausgeklügelter Kanalbewässerung ihren Lebensunterhalt erwirtschafteten. Drei dieser Dörfer kann der Besucher inzwischen mit dem Auto erreichen (oder am Felsabhang entlang trekken). Die Häuser sind quasi übereinander gestapelt, man spaziert durch enge Gassen unter ihnen hindurch.

Jetzt im Januar ist kaum ein Besucher hier, dennoch mahnen Schilder das Leben der Dörfler nicht zu stören. Im kleinen Dorf Al Ayn treffe ich eine Familie beim Ernten von Mais von einem gerade mal zehn mal zehn Meter großen Feldchen. Der Bauer spricht gut Englisch und erlaubt mir zu fotografieren. Der Mais sei schlecht gereift, gerade noch als Viehfutter zu gebrauchen. Seine Jungs laden Grünfutter weiter oben auf einen Pickup, Knochenarbeit um das Gras per Schubkarre steil bergan zu bringen.

Ich fahre noch einige Kilometer weiter, die Straße endet mit Blick auf Wadi Bani Habib, ein verlassenes und zerfallendes Dorf.

Für Al Ayn und seine beiden Nachbarn Al Aqur und Ash Shirayjah mögen der Tourismus und staatliche Förderung das Überleben garantieren. Hoch über ihnen auf dem Plateau entwickelt sich aber eine andere Welt, von Luxushotels und Einkaufszentren. So bleiben diese Dörfer Zeugen einer Zeit, als Oman noch nicht in die Liga der neureichen arabischen Ölstaaten aufgestiegen war.

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