Wenn Imperien desintegrieren, kann das vielerlei Spuren hinterlassen: zerstörte Ausrüstungen am Flughafen von Kabul, eine zerfallene Kleinstadt auf den Andamanen oder auch nur Grabsteine am Rand der Namib.
Im Wüstenklima Nordafrikas oder des Nahen Ostens haben sich die steinernen Zeugen des römischen Imperiums erhalten. Sie belegen weitreichende Macht und kulturelle Ausstrahlung, vom Tiber bis jenseits des Jordans. Beispiel dafür sind die Ruinen von Gerasa. Knapp 50 Kilometer nördlich der jordanischen Hauptstadt Amman gelegen gehören sie zum größten „Ruinenfeld“ außerhalb Italiens. Das heutige Jarash hat sich um dieses Feld herum entwickelt.

Mein Mietwagen war bereits zurück gegeben, weil ich mich in Amman auf die Mitfahr-App Uber verlassen konnte. Für den Besuch in Jarash hatte ich über die App ein Auto zum Hotel bestellt, wobei die Fahrtkosten von vornherein festgelegt sind. Am schwer befestigten Zugang erschien pünktlich eine schwarze Ford-Limousine.
Bakur, so der online-Name für den überaus freundlichen Fahrer, begrüßte mich und auf gings in den Stadtverkehr von Amman. Wir fuhren nördlich aus der Stadt heraus in das hügelige, karge Umland. Bakurs Handy klingelte. „Es war meine Tochter,“ sagte er entschuldigend, sie studiere im Ausland. Woher ich käme, fragte er. Meine Antwort war noch nicht verklungen, da spielte er eine CD mit Liedern von Rosenstolz ab.
Die Zeit verging schnell, nach einer Stunde erreichten wir den Parkplatz am Südzugang zu den Ruinen. Wie ich nach Amman zurück käme, wollte er wissen. „Wieder mit Uber“, meinte ich. Das gebe es nur in Amman, ob ich nicht mit ihm zurück fahren wollte. Wir verdoppeln einfach den Fahrpreis, den die App anzeigt, schlug er vor. Das war ein Deal, zumal er keine „waiting charge“ wollte. Sobald ich mit meiner Besichtigungstour durch sei, solle ich ihm ein Klingelsignal aufs Handy senden, er stünde dann am Südparkplatz bereit.
Gesagt getan: Ich brachte den üblichen Spießroutenlauf durch den kleinen Bazar am Eingang hinter mich, wo sich die Händler auf eine Handvoll Touristen stürzten, und begann den Rundgang durch das rekonstruierte Hadrianstor. Vorbei an einstigen Armeeunterkünften (das hier war die Ostgrenze des Römischen Reiches) und über eine ovale, mit Säulen begrenzte Plaza ging es auf die zentrale Straße der Stadt, auch auf ganzer Länge von Säulen gerahmt. Man ahnt Pracht und Reichtum der Metropole, einer von zehn einer Städtegruppe, die man Dekapolis nannte. Wie schon in Gadara oder Petra wude hier gehandelt und gedealt.
Die Sonne spendete nur jeweils 50 cm Schatten an den Säulen und die Luft erwärmte sich schnell über die Schmerzgrenze von 35 Grad. Ich gab mein Signal übers Handy und erreichte den vereinbarten Treffpunkt im Schatten eines Baumes wie verabredet. Bakur sah, dass mein Hemd klitschnass war und schlug vor, dass ich mich noch ein wenig trockne, bevor ich mich der Klimananlage seiner Limousine aussetze. Ein guter Tipp.
Auf der Rückfahrt unterhielten wir uns über Gott und die Welt. Er war pensioniertes Mitglied der jordanischen Luftwaffe und verdiente sich noch Geld hinzu, um die Ausbildung seiner Kinder zu finanzieren. Er sprach exzellent Englisch und war schon einmal in Europa gewesen.
Es ging um sein Heimatland, die politische Lage diesseits und jenseits des Jordans, um Flüchtlinge und um Geopolitik. Eine anregende Debatte, so dass ich kaum bemerkte, dass wir schon wieder im Gewühl von Amman angekommen waren. Wir versicherten uns gegenseitig, dass wir die Gespräche auf unserem Ausflug genossen hatten, und ich tauchte wieder in das künstliche Klima meiner Herberge ein.
Auf meiner Jordanienreise hatte ich nicht oft Gelegenheit zu Gesprächen wie dem mit Bakur. Das ist schade, weil es eigentlich mein Anspruch ist. Immerhin, auch in den touristischen Begegnungen verbergen sich zuweilen Informationen zur aktuellen Situation, wie z.B. die Pandemie und mehr.
Für meine Enkeltochter, die von Prinzessinnen und Königen schwärmt, hatte ich eine Postkarte der jordanischen Königsfamilie gekauft. Ich fand sie mitten zwischen denen von Sehenswürdigkeiten des Landes. Das Bild zeigt eine sympathische, völlig normale Familie im Garten eines Hauses. Mir fiel auf, dass es in Jordanien keinen Persönlichkeitskult zum Königshaus gibt (jedenfalls weniger als in unseren bunten Journalen).
Dennoch, in den gerade veröffentlichten Pandora Papers, die den durch Briefkastenfirmen verschleierten Reichtum vieler Potentaten aufdecken, kommt der jordanische König schlecht weg. Es bleibt abzuwarten, ob das in Jordanien und den anderen betroffenen Ländern in Afrika und Osteuropa/Zentralasien zu Konsequenzen führt.
Es wäre eine Ironie unserer Zeit, wenn solche Enthüllungen zu weiteren Ruinen etablierter Herrschaft(en) führen würden.