Auf der Bühne des Lebens spielen wir verschiedene Rollen. Heute etwa sind wir die Handvoll von Besuchern, welche die Ränge des Amphitheaters in Epidaurus erklimmt. Eine junge Frau versucht die Akkustik mittels einer Arie zu testen. Ein Paar aus Süddeutschland jagt dem kleinen Sohn durch die Ränge hinterher, der sich partout keine Windel anziehen lassen will. Wäre es nicht schön, wir dürften auch halbnakt durchs Theater rennen?
Im Hain hinter der Bühne liegt das antike Asklepieion. Hierhin kam die erkrankte Elite, um sich vom Gott der Heilkunst kurieren zu lassen. Im kleinen Museum steht die Statue des Arztes, der zum Gott wurde.

Ach käme mein Arzt auch mit strammer Brust und locker umgehängtem Gewand zur Sprechstunde, mit Sandalen und einem Holzstock (auf die Schlange könnte ich verzichten).
Nach der Behandlung würde ich ins Theater gehen und mir eine Tragödie anschauen.
Aber leben wir nicht mitten in einer? Wir tragen Masken zwischen Oleanderbüschen und unterhalten uns beim Frühstück im Hotel mit holländischen Gästen, wie man am besten die 72-Stunden-Frist beim PCR-Test einhalten kann, ohne den man nicht in die Heimat zurück kommt.
Die Grenze zwischen Tragödie und Komödie verschwimmen. Die Peloponnes ist eine „orangene Zone“, also mit mittlerem Risiko. Wir wandeln durch Zypressenhaine und die mit Marmor gepflasterten Straßen von Nafplio wie in einem schlechten Stück. Statt Olivenöl stehen auf den Tischen Desinfektionsflaschen neben Salz und Pfeffer (Achtung, nicht in den Salat gießen).
Hier in Nafplio spielte sich im Oktober 1831 ein politisches Drama ab: Auf dem Weg zur kleinen Kirche St. Spyridon wurde der erste griechische Premierminister Ioannis Kapodistrias an der Kirchentür erschossen. Das Einschussloch der Kugel ist neben der Tür eingerahmt. Mahnend schaut der Erlöser aus der blauen Kuppel auf die Besucher.
Im politischen Theater Griechenlands war das nur der erste Akt, es folgten eine ganze Reihe von Akten und weiteren Tragödien, der letzte Akt ist nocht nicht geschrieben. Aber die Griechen scheinen das mit Großmut zu ertragen, was sie wiederrum als perfekte Darsteller auf der Bühne des Lebens qualifiziert. Zum Schluss haben sie sich unsere Blumen verdient. (Beifall ertönt)