Du fährst auf einer kurvenreichen Straße aus dem Euphrattal bei Adiyaman durch eine öde Berglandschaft bis auf 2000 m Höhe, wanderst eine Viertelstunde weiter den Berg hoch – und stehst vor monumentalen Köpfen. Deren Torsos stehen nebeneinander aufgereiht, als habe ein Riese ein Massaker veranstaltet. Es waren aber wohl „nur“ Erdbeben, welche über die Jahrhunderte die Köpfe haben rollen lassen. Und die ganze Bergspitze ist von Menschenhand gebaut – als Grabmal.

Zitat aus Wikipedia: „Das Grabmal besteht aus einer Geröllaufschüttung mit einem Durchmesser von 150 und einer Höhe von 45 m über dem natürlichen Gipfel des Berges. Der Schotterhügel ist umgeben von drei Terrassen im Norden, Westen und Osten. Auf der westlichen und östlichen Terrasse sind große Götterstatuen zu sehen, die König Antiochos in Gesellschaft von griechisch-persischen Göttern darstellen. Dazu kommen verschiedene Reihen von Reliefstelen, die die Ahnengalerie des Königs und andere Verwandte darstellen, sowie Abbildungen von rituellen Handlungen. Um Platz für die Errichtung des Heiligtums zu schaffen, wurden rund 300.000 m³ massiver Fels bewegt. Auf den Berg führen Prozessionswege aus drei Richtungen.“
Wer baut so was und warum, hier im Südosten der Türkei? In der Folge der zerfallenden Territorien des Alexanderreichs hatte sich in diesem Winkel der nahöstlichen Welt ein kleines, eigenwilliges Königreich gebildet: die Kommagene. Eingezwängt zwischen die beiden Großmächten, das römische Imperium und das Persien der Parther, lavierte sich ab 69 v. Chr. der König Antiochos I. nicht nur zur politischen Unabhängigkeit, er baute auch an einer synkretischen Religion zwischen persischen und hellenistischen Gottheiten samt Herrscherdynastien.
Hier oben, unter blauem Himmel und schneidender Luft, hast Du den Kopf frei. Der Blick reicht Dutzende von Kilometern in alle Richtungen, weit nach Osten und ebenso weit nach Westen.

Am Westhang des Berggipfels findet sich alles, was im griechischen Götterhimmel Rang und Namen hat, am Ostabhang Herrscher und Götter aus Persien.
Im Westen liegt ein Adlerkopf, im Osten der eines Löwen.
Ostseite des Nemrut Dagi
Kunsthistoriker und Archäologen haben dazu viele Theorien und noch mehr Arbeit vor sich. In das Innere des Grabhügels, der die Bergspitze ausmacht, ist noch niemand vorgedrungen.
So behält das Werk von König Antiochos aus der Kommagene viele seiner Geheimisse. Das ist ja gerade das Schöne: In einer Berglandschaft von trostloser Einöde schwebt der Geist eines kulturellen Eigenbrötlers, der vereinen, nicht spalten wollte. Politisch musst sich die Kommagene irgendwann dem Römischen Reich ergeben, aber der Nemrut Dagi bleibt als Marker eines Königs, der Gegensätze auf einem Berggipfel unter einen Hut bringen wollte. Sympathisch.