Manchmal erreicht uns eine Nachricht aus den internationalen Medien wie ein Blitz. Schlagartig wird klar, dass wunderschöne Bilder und Erinnerungen an eine Reise nur Momentaufnahmen waren, die plötzlich von einer brutalen Realität eingeholt werden.
Die Militärs in Myanmar haben am Freitag (9. April 2021) in der Stadt Bago, der einstigen Königsstadt Pegu, mehr als 80 Demonstranten erschossen. Ein Bericht in Myanmar now, einem online-Nachrichtenportal in Yangon, schildert, wie die Militärs gegen junge Demonstranten in der MaGaDit Road, einer Nord-Süd-Achse der Altstadt vorgingen. Die Leichen wurden in einer Pagode versteckt, am Samstagmorgen waren sie verschwunden, das Blut weggewaschen.
Die unvorstellbare Brutalität, mit der das Militär in Myanmar gegen Demonstranten vorgeht, die – wie auf einem YouTube-Video aus Bago erkenntlich – englischsprachige Transparente mit der Forderung nach Demokratie und Rückkehr zur zivilen Regierung tragen, spottet jeder Norm. Mord, Hinrichtung sind hier die einzig passenden Vokabeln, und nicht „Regimegegner“ oder Terroristen. Die Ereignisse in Bago am vergangenen Freitag haben auch die BBC und die Deutsche Welle in ihre Nachrichten aufgenommen.
Und angesichts der Brutalität des Militärs mag man hinzufügen, die Rohingiyas haben sie bereits erfahren.

Wir erinnern uns an einen Tagesausflug von Yangon aus. Wir hatten dort ein Taxi gemietet, welches uns zu einigen Sehenswürdigkeiten im rund 80 km entfernten Bago brachte. In jenen Novembertagen des Jahres 2013 war Myanmar noch voller Aufbruchstimmung. Die Wirtschaft des so lange isolierten Landes öffnete sich, der Tourismus begann zu boomen, wenn auch Internetzugang und z.B. Geldautomaten noch eine Ausnahme waren.
Das einstige Pegu war im 16. Jahrhundert ein florierendes Handelszentrum, eingebunden in den Seehandel Südostasiens. Im rechteckigen Grundriss der Altstadt mit dem Areal des Königspalastes ist das noch zu erkennen. Über die Stadt verteilt sind eine große Zahl von Pagoden und buddhistischer Tempel, einer davon die zentrale Shew Ma Daw-Pagode. Unweit davon an jener Querstraße hat das Massaker am vergangenen Freitag stattgefunden.
Bei unserem Besuch machte Bago den Eindruck eines in seine Historie versunkenen Städtchens. Unser Fahrer brachte uns zu einem großen liegenden Buddha, dem Shwethalyaung Buddha. Man sieht dem entspannt lächelnden Erleuchteten nicht an, dass er aus dem 10. Jahrhundert stammt.
Wir umrundeten die 54 m lange Figur und sahen im Gebet versunkene Menschen. Danach machten wir einen Abstecher zur Kyaikpun-Pagode im Südwesten der Stadt. Buddha schaut hier in alle vier Himmelsrichtungen, am Bild des Restaurateurs im Bambusgerüst werden die Größenverhältnisse deutlich.
Kyaikpun-Pagode aus dem 16. Jhd.
Aber was bedeuten schöne Reiseerinnerungen, insbesondere an Heiligtümer des Buddhismus, angesichts von Gewalttaten des Staates an seinen jungen Bürgern? Was macht dies mit uns als Besucher jener Ländern (und Myamar ist nur ein Beispiel von vielen anderen)? In manchen wird der Blogger möglicherweise verhaftet oder ausgewiesen, in anderen findet er sich in LGBT-„befreiten“ Zonen, wieder in anderen sitzt er an der Sportsbar mit schwer bewaffneten Einheimischen, die nur auf einen Zuruf von QAnon warten.
Der Tourist ist aus meiner Sicht immer auch ein Handelnder. Er beantragt ein Visum, überschreitet eine Grenze, unterwirft sich den Gesetzen des Gastlandes. Persönlich lege ich größten Wert auf Begegnungen und Gespräche, soweit das meine Sprachkenntnisse erlauben. Ich kann und will lernen, mir buchstäblich ein Bild machen. Vor Ort aktiv werden, kann ich und sollte ich auch nicht. Ich gefährde mich selbst und diejenigen, die ich zurücklasse. Im Zeitalter sozialer Medien gibt es daher ganz besondere Risiken und Verantwortungen.
Aber ich kann entscheiden, wo ich als Tourist mein Geld lasse. Das ist auch eine Aktion, wenngleich zugegeben die schlichteste.