Trichy. Eat. Pray. Smile.

Blick über die Kaveri zum Rockfort. Der Fluss führt nur im August Wasser von den Sperren des Oberlaufs, das für die Bauern im Delta bestimmt ist.

Das Vasantha Bhavan ist „100 % Vegetarian“ und liegt im oberen Geschoss eines Gebäudekomplexes in der Altstadt von Trichy, wie Tiruchirapalli meist genannt wird. Ich habe Paper Dosai bestellt, jene lokale Delikatesse aus einem crisp gebratenen und gerollten Reisfladen von enormen Ausmaßen, serviert mit zwei verschiedenen Chuttneys. Im Restaurant ziert eine Malerei die Wand, welche nicht in dieses südindische Ambiente passt: ein Gemälde von Pierre-Auguste Renoir („Das Frühstück der Ruderer“ von 1880) mit einem goldenfarbenen Rahmen eingelassen zwischen die Kacheln. Wie dieses Werk hierhin kommt, kann niemand beantworten.

Wandmalerei zwischen Kacheln: „Das Frühstück der Ruderer“ von Renoir im Vasantha Bhavan

Das Gebäude mit neogotischen Fenstern nennt sich Clive House und beherbergt im hinteren Teil das Studentenwohnheim eines Jesuitenkollegs, zudem auf dem Straßenniveau einen Buchladen, einen Juwelier und – herrlich aus der Zeit gefallen – das Telegraph Office. Dessen Funktion im Zeitalter von Handy und E-Mail ist mir schleierhaft, aber Trichy ist eine Stadt, in der viele Fragen offen bleiben. Und das macht die Stadt als Reiseziel so reizvoll.

Ausschnitt aus Google Maps: Altstadt von Trichy. Links in der Karte die „Our Lady of Lourdes Church“. Als grünes Viereck der Tempelteich des Rockfort Tempel (oben rechts in der Karte). Vasantha Bhavan ist unten Mitte markiert.

Durch die Spitzbögen im Vasantha Bhavan fällt der Blick von meinem Tisch über den rechteckigen Tempelteich auf den Turm einer Kirche, so als ob die beiden Religionen hier ihr Taufbecken teilen. Auf den engen Straßen drängen sich Fußgänger, fliegende Händler und alles, was sich auf Rädern bewegt. Durch den Verkehrslärm dringt in der Dämmerung der Ruf eines Muezims und Gesänge aus der Kirche gegenüber, über Lautsprecher verstärkt. Ab und an bimmelt eine Glocke des Tempels dazwischen.

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Mit knapp einer Million Einwohner ist Trichy nur die viertgrößte Stadt des Bundesstaates Tamil Nadu. Aber seine Lage an der Wurzel des Kaveri-Deltas, wo ein gewaltiger Granitfelsen einen Übergang über den Fluss markiert, prädestinierte es für ein wichtige Funktion als strategisch gelegene Festungsstadt, Verkehrsknotenpunkt und Wirtschaftszentrum. Vor allem aber als Zentrum des Vishnuismus. Das auf dem mächtigen Felsen gelegene Rockfort ist Festung und Tempel in einem. Teile der Anlage sind immer noch für Publikum nicht zugänglich.

Das Rockfort dominiert die Altstadt aus jedem Blickwinkel. Je näher man ihm kommt, je enger und bunter die Gassen. Am Fuß des Felsen, nur wenige Meter vom Vasantha Bhavan entfernt, liegt der Zugang. Der Besucher muss seine Schuhe einlagern und barfuß die 344 Stufen unter dunklem Gemäuer ersteigen. Beim Aufstieg trifft er nicht nur den Tempelelefant, sondern mehrere Kammern und Seitenflügel, allesamt in den Felsen eingehauen. Erst kurz vorm höchsten Punkt des 84 m hohen Felsens gelangt er auf eine Plattform im Freien, von der wiederum dutzende Stufen bis zum kleinen Ganesh-Tempel auf dem Gipfel führen. An heißen Tagen heißt es hier gleichsam auf glühenden Kohlen zu wandeln. Von oben aber hat man einen weiten Blick über die Stadt, den Fluss und die Reisbaulandschaft der Umgebung.

Blick auf Trichy, oben der Kaveri-Fluss

Am Morgen hatte mich ein motorisiertes Dreirad am Gandhi Market abgesetzt. Er ist der größte Gemüsemarkt der Region, allein mit den roten Chillis könnte man halb Deutschland die Zunge verbrennen.

Schärfe, zentnerweise
Blick vom Rockfort nach Süden

Von dort führt eine Straße schnurgerade nach Norden auf das Rockfort zu, sie ist die Hauptachse der Altstadt und man sollte sich Zeit lassen, sie zu entdecken. Rechts und links geht es in ein bis zwei Meter breite Gassen, aus denen man kaum wieder herausfindet. Aber keine Angst: alle lächeln und nicken einem freundlich zu. Ansonsten flechten Männer am Straßenrand Blumen, Männer bügeln oder nähen und Männer bereiten leckere Fladen zu. In einer Konditorei kaufen (und verkaufen) ausschließlich Männer (extrem) süße Köstlichkeiten.

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Frauen hingegen, und die Fotos beweisen dies ohne Zweifel, telefonieren und schwatzen beim Einkaufen oder am Gemüsestand.

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Die Altstadt Trichys rund um das Rockfort lädt zur Entdeckung ein, der Besucher kann einen ganzen Tag in den Gassen schlendern und sich überraschen lassen. Anders als das Pilger- und Touristenzentrum Madurai ist Trichy nahezu unentdeckt. Zudem ist es ein hervorragend gelegener Standort für Fahrten nach Thanjavur, zu den majestätischen Chola-Tempeln und ins Delta, das mit seinen verzweigten Bewässerungskanälen die Reiskammer Südindiens und eine der landwirtschaftlich produktivsten Regionen auf dem Globus ist.

An Lächeln mangelt es in Trichy nicht. Und das lädt den Besucher ein, sich vorbehaltlos in das Leben einer südindischen Stadt zu stürzen.

P.S.: Ein ca. 10-minütiger Videoclip von den Straßen Trichys