Als der Portugiese Vasco da Gama am 20. Mai 1498 an der Malabarküste bei Calicut (heute: Kozhikode) landete, fragten ihn arabische Händler: „Was zum Teufel sucht Ihr hier?“ Er soll geantwortet haben: „Wir suchen Christen und Gewürze.“ Mit der Umrundung Afrikas hatten die Lusitanier den Seeweg von Westeuropa nach Indien entdeckt, trafen aber auf eine lang etablierte Händlergesellschaft aus lokalen Hindu-Fürsten, muslimischen Kaufleuten aus Ägypten und Arabien, eine große jüdische Gemeinde und tatsächlich auch auf Christen. Und die handelten schon mehr als 1000 Jahre miteinander. Die Eiferer aus Portugal waren „nur“ ein weiterer Konkurrent um die kostbaren Gewürze, die in den Bergen des Hinterlandes gewonnen wurden.
Nach vielerlei Intrigen und militärischen Auseinandersetzungen fand da Gama auf seiner zweiten Reise nach Indien im Raja von Cochin einen Verbündeten, der den Portugiesen erlaubte, an der Hafeneinfahrt von Kochi ein Fort zu erreichten. Fort Cochin wurde damit im Jahr 1503 die ersten europäische Niederlassung in Indien.

Dem für Südindien sehr einflussreichen portugiesischen Jahrhundert mit Stützpunkten von Diu in Gujarat bis an die Coromandelküste kamen die Niederländer, ihrerseits mit Forts rund um den Indischen Ozean und schließlich die Briten, die bis 1947 Indien beherrschten, in nichts nach. All diese Spuren zeigen sich wie im Brennglas in Fort Cochin.
Das Fort bewachte die Halbinsel an der Einfahrt zur Lagune von Ernakulam. Heute ist Kochi eine Millionenstadt mit Marinestützpunkt, Containerhafen, Anlegeziel für Kreuzfahrtschiffe und einem internationalen Flugahen mit Dutzenden täglicher Flüge in die Golfregion und von dort nach Europa.
In Fort Cochin taucht der Besucher ein in eine andere Welt ein. Bäume mit weit ausladenden Kronen hüllen den Platz an der Hafeneinfahrt, wo sich die „chinesischen Fischernetze“ hoch und runter senken, in angenehmen Schatten. Benannt sind die Netze tatsächlich nach dem Besuch einer Flotte der Ming-Dynastie, hundert Jahre vor den Europäern. Alte Handelshäuser und Kontore, aber auch Villen und verwinkelte Gassen prägen den Stadtteil.
Auf dem Weg zur Synagoge von Mattacheri passiert man die Pfefferbörse. Im oberen Stockwerk sitzen Händler vor Computerschirmen, Warenterminhandel mit Pfeffer.
Die Synagoge ist nur eine von vielen an der Malabarküste. Sie wurde 1344 gebaut und ist mit kostbarem Interieur ausgestattet, von Glasampeln aus Antwerpen bis zu chinesischen Bodenkacheln, welche die Holländer aus dem Fernen Osten importierten. Der Weg durch die einstigen Gewürzlager ist heute gepflastert mit Antiquitätengeschäften und Andenkenläden. Beim ersten Besuch vor über 40 Jahren war es eine verschlafene Straße, Touristen noch unbekannt.
Nördlich der Synagoge liegt der Dutch Palace, so benannt, weil ihn die dankbaren Niederländer dem Raja von Cochin erbauten: mit dicken Wänden und Sälen mit Teakholz-Decken. Heute ist der Palast ein sehenswertes Museum zum Lebensstil des lokalen Rajas. Berühmt sind Fresken über das Ramayana, die in ihrer Qualität in Indien einzigartig sind.
Viele der alten Gebäude sind in den vergangenen 20 Jahren in Heritage Hotels umgebaut und auf diese Weise erhalten worden. Aber es gibt Bleiben für jeden Geldbeutel, vom Backpacker Hostel bis zum Fünf Sterne Palast. Besonders typisch für das Konzept Heritage ist das Old Harbour Hotel. Innenhof, Garten, Räumen, Lobby und Empfang sind stilgerecht, bis zu den Lichtschaltern und Möbel, restauriert. Eine Oase mitten in der „Altstadt“.
Fort Cochin ist inzwischen durch und durch für den Tourismus kommerzialisiert. Das ist der Preis dafür, dass der architektonische Charakter erhalten geblieben ist. Aber zusehends finden auch wohlhabende Inder Interesse am Erwerb und der Restauration alter Wohngebäude, zumal Fort Cochin im Vergleich zu Ernakulam eine Oase ist.
Zum Vizekönig ernannt, der in Portugiesisch-Indien für Ordnung sorgen sollte, reiste Vasco da Gama 1524 zum dritten Mal nach Indien. Aber er war schon von Krankheit gezeichnet und verstarb in Cochin am Heiligabend 1524. Er wurde in der heutigen St. Francis Church beigesetzt, sein Grabstein ist noch erhalten. Erst später hat man seine Gebeine nach Lissabon überführt, im Hieronymus-Kloster in Belem erhielt er ein Ehrengrab.
Innerhalb der Metropole Kochi bleibt Fort Cochin ein lohnenswerter Ort zum Verweilen. Er kann aber auch als Ausgangspunkt für Ausflüge nach Norden und Süden entlang der Küste genutzt werden. Im Norden bieten die Routen des Muziris Heritage Project Einblicke in die multikulturelle Vergangenheit der Malabarküste. Nach Süden kann man die Backwaters als Verkehrsweg bis Kollam (Quilon) nutzen.