Auf dem Weg zur Demokratie gibt es überall Rückschläge. Im Land der goldenen Pagoden hat kürzlich das Militär geputscht. Die alte Garde will das Wahlergebnis vom November 2020 nicht anerkennen, welches der Partei der Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi die absolute Mehrheit gegeben hatte. Damit ist nach zehn Jahren langsamer Demokratisierung Myanmars dieses Experiment vorerst in Frage gestellt. In der Hauptstadt Yangon gehen allerdings Hundertausende auf die Straßen, um gegen das Militär zu protestieren. Die Welt zuckt einstweilen die Schultern, zumal Aung San Suu Kyi viele Sympathien verloren hat. Der Vertreibung der Rohingiya hat sie nicht wiedersprochen und so dem Militär in die Hände gespielt.

Dabei spielt Burma, wie Myanmar einst hieß, im Narrativ des britischen Empires, die Rolle eines Ortes voller Nostalgie. Wurde doch hier einst geordnete Herrschaft und allgemeingültige rules gegen das imperiale Japan verteidigt. An der Burmafront kämpften Briten und die Söhne Australiens, Neuseelands und der Kolonien.
Eine herausragende militärische Rolle in Burma hatte Louis Mountbatten. Er wurde zum 1. Earl Mountbatten of Burma ernannt. Wie schrieb Rudyard Kipling schon um 1890: „… Schickt mich dorthin an diesen Ort östlich von Suez, wo der Beste dem Schlechtesten gleich ist. Wo keine zehn Gebote kommandieren und ein Mann noch Verlangen wecken kann. Denn die Tempelglocken rufen nach mir, dort möchte ich sein. Bei der alten Moulmein Pagode Und träge auf das Meer hinaussehen. Auf dem Weg nach Mandalay, wo einst die Flotte lag.“
Auf dem Weg von Yangon nach Mandalay liegt der Htauk Kyant Gefallenenfriedhof, auf dem mehr als 6000 alliierte Soldaten aus der „Burmakampagne“ ihr Grab gefunden haben.

In der dritten Staffel der Serie „The Crown“ steht Lord Mountbatten Ende der 1960er Jahre vor einem Auditorium voller verknitterter alter Männer, die mit ihm einst in Burma kämpften. Die Szene spielt auf dem Höhepunkt der britischen Wirtschaftskrise, die der Labour-Premier Wilson von seinen Vorgängern geerbt hatte. Jene Burmakämpfer sehnten sich nach der einstigen Größe zurück, als die Welt von Westminster aus regiert wurde. Schließlich stimmen alle ein in jene Kipling-Verse:
By the old Moulmein Pagoda, lookin‘ lazy at the sea,
There’s a Burma girl a-settin‘, and I know she thinks o‘ me;
For the wind is in the palm-trees, and the temple-bells they say:
„Come you back, you British soldier; come you back to Mandalay! „
Come you back to Mandalay,
Where the old Flotilla lay: …
Nun liegt in Mandalay ebenso wenig eine Flotte wie in Battenberg oder Hannover. Aber es reimt sich (im Englischen) gut. In ein Land, in dem die zehn Gebote keiner kennt und ein Mann noch Verlangen wecken kann, in ein Land östlich von Suez, dorthin sehnte sich die konservative Klasse. Als Boris Johnson Außenminister war und eine Pagode in Myanmar besuchte, rezitierte er unbemerkt, aber von BBC-Kameras aufgefangen, das reaktionäre Gedicht von Kipling. Ein entgeisterte Botschafter seiner Majestät musste den Chef diskret daraufhinweisen, um Himmelswillen die Klappe zu halten. Für manche will das Empire einfach nicht sterben.
About Boris Johnson. THE GUARDIAN online, 24th Feb. 2021
Strategie des Militärs gegen Protestbewegung (Interview). SPIEGEL online 5. MÄrz 2021