Kochen Essen Kultur

Keine Kücheneinrichtung bei uns, keine Kochshow im Fersehen kann jenes köstlichste aller Essen zubereiten, welches man im südindischen Tamil Nadu einfach nur „Meal“ nennt, manchmal mit dem Zusatz „limitless“ (YouTube kann’s, Tamilkenntnisse erwünscht).

Es wird in Sekunden als Mittagsmahlzeit serviert, jedes Restaurant kündigt draußen per Schild an „Meals ready“ und ist stolz auf seine Armee von Kellnern, welche die Mahlzeit auf einem Bananenblatt servieren. Je nach Restaurant mehr oder weniger elegant aufbereitet und durchaus mit eigenen Schwerpunkten in der Zusammenstellung von Gemüsen, Curries und dem ubiquitären Sambar (Zubereitung siehe oben)

Ein Restaurant zur Mittagszeit am Busbahnhof von Tiruchirapalli

Immer wieder fragen die mit Eimerchen und Kelle aus Edelstahl ausgestatteten Kellner nach, ob man noch Reis, Sambar, Pickels oder „Curt“ haben möchte – eben limitless.

Im traditionellen Restaurant wird das Bananenblatt auf den Tisch gelegt, dazu ein Becher Wasser. Mit dem benetzt man das Blatt ein wenig und schüttet es unter dem Tisch ab, ein Reinigungsritual. Dann werden die Bestandteile des „Meals“ serviert: verschiedene Gemüse, Chuttneys, ein kleines Häufchen Salz, Pickles (meist Mango oder Lemmon) und zuallererst der/das obligatorische Pappadam. Man isst ausschließlich mit der rechten Hand.

Im Zentrum des Blattes der Haufen Reis, den man abschnittsweise mit den Gemüsen mischt. Dann kommt zum Schluss die Rasam-Suppe oder der Joghurt. Nach dieser würzigen und je nach Wunsch scharfen Mahlzeit, folgt ein süßes Dessert (und hier hat Indien eine Auswahl, die man locker googeln kann). Ist man mit der Mahlzeit fertig, faltet man das Blatt von sich weg, ein Zeichen für den Assistenzkellner, das Blatt in einem Plastikeimer einzusammeln und den Tisch – rituell – zu reinigen.

Zum Abschluss kann (ich würde sagen: sollte) man noch einen South Indian Coffee bestellen: Er wird in einem zweifachen (Edelmetall-)Becher brühend heiß serviert, mehr Milch als Kaffee  – und natürlich süß.

Man gießt aus dem hohen Becher in den flachen, lässt dort kühlen und genießt ihn so heiß es geht. Experten erkennt man daran, dass sie den Kaffee zwischen den beiden Bechern hin und her gießen, zur Kühlung oft in kunstvollem Bogen (alternativ tut dies auch gern der Kellner).

Teekühlung am Busstand, nachts

Für all die Utensilien gibt es Spezialläden. Eine Komplettausstattung gehört in jeden guten indischen Haushalt.

Laden für Essgeschirr in Tiruchirapalli

Ein weiterer unnachahmlicher Snack für Zwischendurch und ebenfalls in vielen Variationen ist „Dosai“ (es gibt zudem noch Idli, Puri, Chappati, Naan.…, aber das führt hier zu weit). Dosai gibt es crisp (als „Paper dosai“ siehe Foto unten), aber auch als Massala dosai (gefüllt mit würzigem Kartoffelbrei). Man zerlegt den Fladen mit einer (der rechten) Hand und tunkt ihn in Sambar oder eine der Chuttneys ein, die mit serviert werden. Vorsicht: der rötliche aus Kokosflocken und Chillis ist höllisch scharf.

Die Zubereitung der extrem dünnen Fladen aus Reismehl und zermahlenen Linsen erfordert eine große heiße Platte, für die unsere Küchen (oder Fernsehstudios) keinen Platz haben. Auch in Tamil Nadu werden die Dosai oft draußen gebraten.

Es gibt kaum eine Region auf der Erde, die so sehr durch ihre (vegetarische) Cuisine geprägt ist, wie Tamil Nadu. Die Beispiele hier sind nur eine kleine Auswahl. Das Essen definiert tamilische Kultur wie die bunten Tempeltürme oder die lässigen Kühe, die unbeeindruckt durch den Verkehr einer Großstadt wandern.

Beruflich und aus familiären Gründen reisten wir in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten oft nach und durch Südindien. Angekommen im kulturellen Sinn waren wir nach einem langen Nachtflug erst nach dem ersten Dosai-Snack oder Meal.

Wer vom Flughafen Chennai Richtung Süden nach Mahabalipuram oder weiter fährt, dem können wir das Motel Mamalla an der ECR (East Coast Road) empfehlen (etwa eine Stunde Fahrt südlich vom Flughafen). Klickt auf der Webseite auf „Menu“ und last Euch das Wasser im Munde zusammenlaufen (das „Meal“ steht samt Bestandteile hier unter dem neuern Namen Thali). Guten Appetit!

Indisches Essen und kolonialer Einfluss. Aljazeera.com, 2. April 2021