Im Dschungel von Nordborneo finden sich Hinweise von menschlicher Aktivität, die über 40.000 Jahre zurück geht. In den Niah Caves, rund 100 Straßenkilometer südwestlich von Miri gelegen, hatte man schon in 1960er Jahren bei Ausgrabungen Knochen, Werkzeuge und ein Schädelteil gefunden. In jüngster Zeit werden diese Ausgrabungen weitergeführt, handelt es sich doch um den „missing link“ der Wanderung unserer Spezies aus Afrika über Südasien nach Australien. Aber unabhängig von der Forschung sind die Höhlen im Niah Nationalpark ein lohnenswertes Reiseziel. Mir kam es sogar wie ein Abenteuer vor.
Bei meinem Besuch habe ich mich an extrem praktische Tipps eines malaysischen Bloggers gehalten. Am Flughafen von Miri (bestens mit Kuala Lumpur, Kuching und Kota Kinabalu verbunden) mietete ich ein Auto beim billigsten Anbieter. Borneo hat wie ganz Malaysia gut ausgebaute Straßen und Benzinkosten spielen keine Rolle. Miri ist eine Oil Town, Zentrum der off-shore-Erdölförderung in Borneo. Die südlichen Außenbezirke der Stadt hätten auch in Florida sein können: Villas, gepflegte Gärten mit Bougainvilla und Hibiscus. Die Strecke entlang der Küste aber ist eintönig, über große Strecken nur Palmöl-Plantagen.
Nach etwas mehr als einer Stunde biegt die Straße nach Niah links ab, Schilder führen zum Parkeingang am Sungei (= Flus) Niah. (Tipp: Die gesamte Strecke lässt sich auf Google Streetview nachverfolgen oder eben vorbereiten). Ein Schild warnt an der Anlegestelle eindringlich vor den Krokodilen, die hier wie überall auf Borneo lauern. Für 1 Ringitt bringt ein kleines Motorboot den Besucher zur anderen Seite. Dort ist das Hauptquartier des Parks samt Museum. Es dokumentiert die geologische Geschichte der Region und Erforschung der Höhlen.
Bei meinem Besuch war keine Menschenseele zu finden. Auf meine Frage nach Wasservorrat für die Wanderung verwies mich ein Parkarbeiter auf die kleine Rasthütte, ein, zwei Kilometer weiter im Dschungel. Tatsächlich verkaufte dort eine Frau gekühlte Getränke und Snacks, unterm grünen Dach des Regenwaldes. Man kann den Park und die Höhlen auf eigene Faust erwandern – im Gegesantz zum weiter nördlich gelegenen Mulu Nationalpark. Die Pfade sind mit Beton oder Holzplanken befestigt.
Der tropische Regenwald hat eine eigene Magie. Aber vollends berauschend ist die Geräuschkulisse von Insekten und den vielen Vogelarten. Ab und an zeigt sich ein Insekt, getarnt oder wie ein Tausendfüßler in auffälligem Rot. Trotz des schattigen Weges erschien mir die Schwüle an jenem Tag im Februar 2019 schwer erträglich. Das T-Sirt ist schon nach wenigen Metern nass (ein guter Tipp war es, im Auto eines zum Wechseln für die Rückfahrt zu haben).
Nach einem Treppenanstieg erreicht man die erste der Höhlen, die Traders‘ Cave. Sie wurde so benannt, weil hier der einst Handel mit Vogelnestern betrieben wurde. Bekannter aber ist die Höhle für die jüngsten Ausgrabungsfunde. Ich traf später bei meiner Rückkehr im Parkzentrum eine Gruppe von britischen Studenten, die in der Gluthitze ihre Grabungswerkzeuge und einige Funde reinigten. Ihr Professsor bestätigte mir auf Nachfrage, dass es viel versprechende seien.

Traders‘ Cave ist im Wesentlichen ein Überhang im Karstfelsen, wie geeignet für steinzeitliche Besiedlung. Der Fußweg führt am Felshang weiter zum Eingang einer gewaltigen Höhle, die Great Cave. Auch hier wird derzeit ausgegraben, das Gelände ist aufwendig gesichert.
Treppenaufstiege führen immer tiefer in die Höhle. Gerade als das letzte Tageslicht verschwindet, treffe ich im Halbdunkeln auf eine Gruppe Männer, die Vogelnester ernten. Sie sind mit starken Taschenlampen ausgestattet und klettern halsbrecherisch auf Leitern zu den Nestern im Fels. In der Ferne fällt ein Sonnenstrahl durch die Höhlendecke, wie ein himmlisches Zeichen. Für den Karstkenner ist es wohl ganz profan eine Einsturzdoline.
Dann wird es vollends gespenstisch: An einem Treppenabgang warnt ein Schild vor kompletter Dunkelheit. Ich hatte dem Rat folgend eine Taschenlampe, Kopfbedeckung und eine Regenhaut dabei. Es tropft in der Dunkelheit von der Decke, es könnte aber auch Kot von Fledermäusen sein (derzeit habe ich dabei noch ganz andere Assoziationen). Zudem war der Boden extrem rutschig, die nassen Stahlgeländer boten immerhin Halt. Zu sehen war außerhalb des Lichtkegels meiner Taschenlampe nichts und zu hören nur das Klimpern von Wassertropfen, die auf nassen Fels oder in kleine Becken fallen!
Es sind diese Situationen, in denen sich der Alleinreisende fragt, ob das alles so klug ist. Aber frei nach dem Motto „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“ und hoffend, dass es bald wieder Sonnenlicht gibt, tastete ich mich weiter. Das kam nach gut 20 Minuten wieder zum Vorschein. Und mit ihm der Lebensmut. Am Ende des Trails erreicht man Painted Cave. Wiederrum eher ein Überhang, an dessen Rückwand Felszeichnungen gefunden wurden. Abgesperrt durch einen Zaun waren sie nur zu erahnen. Aber hier traf ich die ersten Zweibeiner seit Eintreten in die Great Cave: ein junges US-amerikanisches Paar. Was für eine Erleichterung zu wissen, dass beim Rückweg durch jenen Hades gegebenenfalls Menschenseelen vorbei kommen.
Der Rückweg über die gleiche Route fiel aber auch deshalb leichter, weil jetzt die Entfernung einzuschätzen war. Am Rastplatz kaufte ich gleich zwei Flaschen Flüssigkeit und selbst das reichte nicht, um den Verlust auszugleichen.
Der Weg nachmittags zurück nach Miri war problemlos, mein Zimmer im 23. Stock eines Hotels mit Blick auf die Stadt und das Südchinesische Meer eine Oase. Die Sonne ging gerade unter, als ich aus der Dusche kam. In der Hotelbar freute ich mich, im Angebot einen Kräuterlikör meiner Heimatstadt Wolfenbüttel zu entdecken. Aber mir war nach einem frischen Bier. Gerade als ich zum ersten Schluck ansetzte, sprach mich ein Mann mit jenem erkennbaren Akzent eines Kontinents südlich von Darwin an: „Hi Mate, you mind if join you?“ Ich konnte nicht ablehnen und er setzte sich zu mir. Woher ich käme etc. Er arbeitete für ein Luftfahrtunternehmen im benachbarten – und alkoholfreien – Sultanat von Brunei und war auf Kurzurlaub im „liberalen“ Malaysia. Das will was heißen.
Der Video-Clip ist gut 5 Minuten lang und zeigt Teile meiner Wanderung. Im Nationalpark habe ich den O-Ton gelassen.
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