Waldverlust

Es war zu erwarten. Wir hatten es bei Touren in unserer Umgebung im Harz schon gesehen: Statt unter „dunklem Tann“, wandern wir jetzt in gleisendem Sonnenlicht unter Gerippen von Fichten. Der Borkenkäfer macht ganze Arbeit, in rasendem Tempo und überall in Deutschland. Die extreme Trockenheit der vergangenen Jahre hat den Wald geschwächt.

In diesen Tagen (Januar 2021) gab die die örtliche Haubergsgenossenschaft bekannt, dass die Fichten unseres kleinen Waldstücks im Siegerland (im Google Earth-Bild unten) umgehend gefällt werden müssten. So wolle man die noch gesunden Bestände retten. Das gälte für alle Waldbesitzer im kleinen Tal des Breitenbachs hier am Südrand des Rothaargebirges.

Während der Borkenkäferbefall in den deutschen Nationalparks als natürlicher Prozess der Waldregeneration verstanden wird, versuchen die Forstbehörden von genossenschaftlichem oder privatem Wald durch gezielten Einschlag zu retten was zu retten ist. Damit muss unser kleiner Fichtenwald verschwinden, den der Vater einst den Enkeln als Wertanlage hinterlassen wollte.

Die Holzpreise waren schon seit den Schäden durch den Orkan „Kyrill“ im Januar 2007 gesunken. In der Google Earth Slideshow unten lässt sich am Unterschied zwischen 2002 und 2010 verfolgen, welche Verwüstung „Kyrill“ auf westexponierten Hängen in der Umgebung unseres Waldes verursacht hatte. Im Tal selbst hatte der Sturm keine Schäden angerichtet, wie die Fotos von Sommer 2008 zeigen.

Nun also hat der Wald bzw. das Fichtenholz keinen Wert mehr. Mit dem kleinen Waldstück verbinden sich Erinnerungen. Anfang der 1960er Jahre war der Wald neu bepflanzt worden, nachdem der Vorgängerbestand sein Einschlag-Alter erreicht hatte. Der Hang ist steil und als Kinder haben wir die frisch gepflanzten Fichtensetzlinge gegen Verbiss „gestippt“. Dabei wurden die Spitzen in einen weißen Stoff (Arbinol) eingetaucht, den wir in kleinen Büchsen mit uns schleppten. Heute gibt es wohl ökologisch bessere Maßnahmen.

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In der Wachstumsphase, in der die jungen Fichten Gestrüpp und Gebüsch verdrängen und schließlich überragen, muss der Wald mehrmals ausgedünnt werden. Es sind also durchaus Investitionen zur Pflege notwendig, die Rendite wächst nicht auf den Bäumen. Am 30. Januar 2021 verschwand der Wald und lässt nur einen steilen Hang zurück.

Die Fichtenmonokultur in einstigen Mischwaldbeständen in den Mittelgebirgen hat sich beim Befall mit Borkenkäfern also gerächt. Solange Fichtenbestände nur Inseln in überwiegendem Laubwald waren, der dazu nachhaltig als Hauberg geschlagen wurde, waren sie weniger gefährdet.

Wie geht es weiter? Die abgeholzte Fläche wird sich selbst überlassen. In der Regel wachsen widerstandsfähige Hölzer vergleichsweise schnell nach. Das ist ökologisch die beste Lösung. Als Wirtschaftfaktor ist unser Wald aber verschwunden.

Nachtrag am 21.2.201

Weitere Informationen:

Orkan „Kyrill“ am 18./19.1.2007 bei Wikipedia

Modellprojekt Fichten retten in Südwestfalen. wdr.de, 19.1.2021

Umwelterinnerung.de Eine Webseite zur Dokumentation von Umweltveränderungen in der Vergangenheit

Der deutsche Wald stirbt. SPIEGEL online, 24. Februar 2021

Deutschlands 725 Milliardenschatz ist in Gefahr. SPIEGEL online, 22. März 2021

Nachwort

Im Januar 2021 machten wir einen Spaziergang bei Liebenburg, Landkreis Goslar. Am Wegesrand lagerten gewaltige Eichenstämme. Wir fragten einen Mann, der mit einer Liste die Stämme prüfte um die Bewandtnisss: Er war Sägewerkbesitzer aus Dänemark, der hier Eichen für Bodenbeläge in dänischen Schlössern aufkaufte. Er lachte, als ich sagte, dass Holz kaum noch Wert habe. „Ein solcher Stamm kostet mehr als 3000 €“ erwiderte er.