
In Semarang an der Nordküste Javas haben sie ihm einen Tempel gewidmet, in Galle (Sri Lanka) hat er einen Gedenkstein an seinen Aufenthalt hinterlassen und in Kochi (Kerala) zeugen die Chinese Fishing Nets an der Hafeneinfahrt von seinem Besuch. In Malacca (Malaysia) hat man ihm ein Museum gewidmet, weil die Stadt an der gleichnamigen Meeresstraße ein halbes dutzendmal Landepunkt auf seinen Expeditionen durch das Südchinesische Meer und den Indischen Ozean war.
Admiral Cheng Ho (auch: Zheng He), in Diensten des Ming-Kaisers Yongle, der von von 1402 bis 1433 regierte, hätte ein ganzes Kapitel in unseren Geschichtsbüchern verdient. Aber bei uns beschränkt sich „Das Zeitalter der Entdeckungen“ auf Kolumbus, Vasco da Gama oder Magellan, die erst 100 Jahre später unterwegs waren. Für wenige Jahrzehnte beherrschten im 15. Jahrhundert gewaltige Flotten aus China die asiatischen Meere, gegen die etwa die drei Nussschalen von Kolumbus wie „Rettungsboote“ wirkten. (Im Cheng Ho Museum in Malacca ist ein Modell der Ming-Flotte nachgebaut).
Wichtigster Anlaufhafen auf dem Weg in den Indischen Ozean war Malacca. Hier am Schnittpunkt der Monsune ernannte der Ming-Kaiser den Gründer des schnell wachsenden Handelsknotens 1409 zum „König“. Malacca wurde damit Land- und Seemacht in der Region, über Malacca kamen Kaufleute aus Arabien, Indien, Birma und den indonesischen Inseln mit China in Kontakt. Hier ließen sich chinesische Dauersiedler nieder und prägten von dort aus in den Häfen und Metropolen in Südostasien die (auslands)chinesische Kultur. Bestes Beispiel für die erzeugte Wirtschaftsdynamik ist heute der Stadtstaat Singapur. Dies alles lange bevor die Europäer den Wert dieses internationalen Handelszentrums entdeckten.
Aber ebenso plötzlich, wie sie am Horizont auftauchten, verschwanden die Ming-Flotten mit Dutzenden riesiger Schiffe und bis zu 30.000 Mann Besatzung wieder. Zwar blieben chinesische Händler weiterhin unterwegs, aber eine so groß angelegte Expedition als Demonstration chinesischer Macht gab es Jahrhunderte lang nicht mehr. Das Heimatland und die neue Hauptstadt Beijing brauchten die Gelder dafür dringender.

China sieht sich nicht nur traditionell als „Reich der Mitte“, sondern will dies auch nach seinem Aufstieg zur zweitgrößten Wirtschaftsmacht demonstrieren. Mit einem Konzept von „neuen Seidenstraßen“ versucht die Volksrepublik die Länder Eurasiens und Afrikas mit der eigenen Wirtschaft verknüpfen. Und die Staatsführung bezieht sich dabei ganz bewusst auf die Geschichte der Ming-Expeditionen: Vor einem Besuch auf den Philippinen im November 2018 veröffentlichte die Nachrichtenagentur Xinhua einen Beitrag, den Staatspräsident Xi Jinping in einer lokalen Zeitung veröffentlicht hatte: „… China und die Philippinen sind Nachbarn auf gegenüber liegenden Küsten des Meeres. Der Austausch durch Schiffe und Händler zwischen unseren Ländern begann schon vor mehr als tausend Jahren. Vor über 600 Jahren besuchte der chinesische Seefahrer Zheng He mehrmals die Manila Bay, die Visaya-Inseln und Sulu. Er suchte Freundschaft und Kooperation. …“ Für die Philippinen mag diese Darstellung historischer Prüfung nicht standhalten, aber es ist bemerkenswert, dass sich Xi auf Cheng Ho bezieht und damit impliziert, dass Chinas neue Wirtschaftskraft friedliebend und auf Harmonie ausgerichtet ist.
Dafür mus er bei den Anrainern des Südchinesischen Meeres aber erst Vertrauen gewinnen, denn 600 Jahre nach der Ming-Dynastie ist die Welt eine andere. Es gibt viele „Mitten“ auf dem Globus und alle buhlen um Verbündete und Handelspartner.
In jüngster Zeit und unterhalb des Radars der europäischen Öffentlichkeit bahnt sich im Südchinesischen Meer ein Showdown zwischen China und dem Rivalen USA an. Immer häufiger kommt es zu Machtdemonstrationen der eigenen militärischen Präsenz durch Flugzeugträger und deren Begleitschiffen.

Aus dem Flugzeug ist das Südchinesische Meer so tiefblau wie auf der Karte. Bilder von tropischen Stränden, verwunschenen Inseln und Korallenriffen drängen sich auf. Kaum zu vermuten ist, dass es sich hier um einen der gefährlichsten Hotspots der Geopolitk handelt.
Malaysia, Brunei, die Philippinen, Taiwan, die Volksrepublik China und Vietnam beanspruchen Segmente des Meeres und haben schon seit Jahrzehnten Stützpunkte auf einigen der Atollen errichtet. Das Südchinesische Meer birgt Bodenschätze, vor allem Erdöl. Vor der Nordküste Borneos wird schon offshore gefördert. Es geht um zwei große Inselgruppen: die Paracel-, vor allem aber die Spratly-Inseln (zum Überblick vgl. Wikipedia).
Mit Hilfe von Google Earth sind hier einige der Atolle der Spratly Inseln dargestellt, eine eher zufällige Auswahl. Gleichfalls aus Google Earth und den Textmarkierungen (aus dem Chinesischen durch Google Translate ins Deutsche übersetzt) sind dazu einige Informationen angeführt:
Foto 1: Chinesischer Stütztpunkt auf Yongshu Jiao (ca. 9° 30′ Nord, 112° 53′ Ost) Foto 2: Gleichfalls chinesische Einrichtungen auf Naxu Jiao (10° 12′ Nord, 114° 13′ Ost)
Foto 3: Taiping Dao (10° 23′ Nord, 114° 22′ Ost). Die Insel ist 1400 m lang und 335 m breit Sie ist die größte der Nansha-Inseln. Die durchschnittliche Höhe beträgt 3,8 m. Das Korallenriff rund um die Insel ist bei Ebbe deutlich exponiert. Der Boden ist fruchtbar. Es gibt Kokospalmen, Papayas und Bananen. Die Häuser, Tempel und Gräber wurden von Fischern. Die Insel Taiping liegt im Herzen des Südchinesischen Meeres, mehr als 500 Seemeilen nördlich von Yulin Port auf der Insel Hainan und ist der Schlüssel zur Seeschifffahrt. Die Insel ist unter Verwaltung von Taiwan.
Foto 4: Huayang Jiao (8° 53′ Nord, 112° 51′ Ost)ist das östlichste der London Reefs. Außer ein paar Felsen im Norden, die bei Flut 1,2–1,5 m aus dem Wasser ragen, ist das Atoll nur bei Ebbe zu sehen; es gibt Kai-Anlagen sowie einige Aufbauten (Pfahlbauten) der chinesischen Marine, die ständig besetzt und mit Luftabwehrgeschützen und Artillerie bewaffnet sind; darüber hinaus gibt es umfangreiche Suchradar- und Funkanlagen.
Foto 5: Dongmen Jiao (9° 55′ Nord, 114° 30′ Ost). Es ist ein dunkles Riff mit Pfahlbauten der chinesischen Marine
Foto 6: Jinghong Dao (9° 53′ Nord, 114° 20′ Ost). Die Fläche beträgt ca. 0,08 qkm. Die durchschnittliche Höhe beträgt ca. 3,6 m. Es gibt Bäume auf der Insel, die zudem reich an Guano-Resourcen ist. Es gibt frisches Wasser, aber das Wasser ist von schlechter Qualität und kann nicht konsumiert werden. Die Insel ist nach dem Kommandanten Wang Jinghong benannt, der Zheng He (Cheng Ho) im 15 Jh. auf den Expeditionen nach Westen begleitete.
Foto 7: Chigua Jiao (9° 42′ Nord, 114° 17′ Ost). Der äußere Ring dieses Riffs hat braune Vulkangesteine, die bis 1,3 m über das Wasser ragen, und der innere Ring ist ein weißes Korallenriff. Als sich die chinesische Marine 1988 auf den Bau eines Meeresobservatoriums am Yongshou-Riff vorbereitete, kam es zu einer Seeschlacht mit der vietnamesischen Marine. Das Chigua-Riff war der Auslöser und das Hauptschlachtfeld.
Foto 8: Layang Layang ist malaysisches Territorium. Es gibt dort Ölvorkommen und eine Marinebasis mit Flughafen und regulären Verbindungen nach Kota Kinabalu: Die Insel hat zudem ein fabelhaftes Taucherresort (ww.layanglayang.com/).
Die Anrainerstaaten sehen mit Sorge, wie das Südchinesische Meer zur Konfliktzone von zwei Großmächten wird. Sie selbst möchten nicht hinein gezogen werden, sondern bleiben stattdessen lieber im Dialog mit der Volksrepublik, ohne dabei die eigenen Ansprüche aufzugeben. Alle haben ein Interesse an einer einvernehmlichen und mit internationalen Abmachungen abgesicherten Lösung.
Mag sein, dass aus dem „Reich der Mitte“ der Blick auf die Belange kleinerer Nachbarn schwer fällt. Kaiser Yongle ließ sich zur Einweihung der neuen Hauptstadt Beijing im Jahr 1421 von Repräsentanten aus den Ländern Asiens und Afrikas beglückwünschen. Seine Flotte brachte die ausländischen Diplomaten reich beschenkt in ihre Heimathäfen zurück. Beijing sollte die Welt beeindrucken (aus Europa war übrigens laut dem umstrittenen britischen Autor Gavin Menzies keiner eingeladen). Aber die Welt ist heute eine andere. Auch Europa wird nicht mehr vom Heiligen Römischen Reich dominiert, sondern muss sich zusammenraufen und unter unendlichen Kompromissen zu Positionen und Aktionen zwingen.
Cheng Ho dient weniger als eine Legitimation für Übermacht. Er sollte stattdessen als Leitfigur für ein an globalen Regeln und Abmachungen partizipierendes China stehen. Das nähme dem „Reich der Mitte“ keinen Zacken aus der Krone, sondern würde einem der fünf ständigen Mitglieder des UN-Sicherheitsrates neues Ansehen verleihen. Cheng Ho verdient aber in jedem Fall ein eigenes Kapitel in unseren Geschichtsbüchern.
Tentang Sam Poo Kong
Weitere Informationen:
Frauke Kraas Beitrag GR 4-2000 (pdf)
Ma Huan auf Wikipedia
Beitrag zum Fall der Chagos-Inseln im Indischen Ozean, New York Times, 1. April 2021