Zwei Monate erscheinen derzeit wie zwei Jahre. Da öffnet der Blick in die Äonen der Geologie eine ganz andere Dimension: So dauerte das Cenomanium (die mittlere Kreidezeit) 4 Millionen Jahre und ging vor 89,8 Millionen Jahren in das Turonium (Späte Kreidezeit) über. Was sind dagegen die paar 100 000 Jahre, in denen die „Krone der Schöpfung“ den Planeten durchstreift. Dinosaurier waren in den Urwäldern und Graslandschaften unterwegs. Der größte Teil Europas lag in den Tropen und wäre auf einer heutigen Karte nur als Sammlung von großen Inseln erkennbar. Afrika und Südamerika hatten sich „gerade“ getrennt und Indien bewegte sich auf Eurasien zu. Norddeutschland war von einem warmen Meer bedeckt, in dem sich massenweise Kalkalgen am Meeresboden ansammelten.
All das entzieht sich unserem Vorstellungsvermögen. Aber manchmal gelingt uns ein Blick in diese Vergangenheit, wenn Profile von Erdschichten etwa in Steinbrüchen entblößt werden. So im Kalksteinbruch bei Hoppenstedt (Sachsen-Anhalt), dicht an der einstigen Zonengrenze gelegen. Hier schieben sich rotbraune und grauweiße Schichten aus dem Boden, als sei ein Baumkuchen beim Backen verunglückt.
Der Steinbruch schneidet durch den Kleinen Fallstein, ein in West-Ost-Richtung verlaufender Höhenzug. Wir parken am alten Bahnhof von Hoppenstedt. Von dort ist es eine kurze Wanderung in das Tor zur Kreidezeit. Der Steinbruch gehört zum System des Geoparks Harz/Braunschweiger Land/Ostfalen, in welchem markante geologische Phänome zusammengestellt und mit Infotafeln illustriert sind. Wanderwege verbinden viele dieser Geotope.
In den Kalksteinschichten kann der Besucher nach Fossilien suchen, aber wir sind in Sonntagskleidung und ohne Geologenhammer angereist. Die Stille wird nur von Vogelzwitschern unterbrochen.
In Hoppenstedt tritt die Trennlinie von Turonium und Cenomanium zutage. Beim Blick auf die Erdschichten aus 89 Millionen Jahren vor unserer Zeit mag man sich vorstellen, dass jede Schicht für sich Ergebnis von Verwitterung und Sedimentierung darstellt. Entstanden über Jahrtausende, nur um dann von der nächsten Phase von Zerfall und Abtragung überdeckt zu werden. Tektonische Kräfte und die von aufsteigendem Salz (Salzgitter, Salzbergwerk Asse) im Harzvorland haben das Gestein gehoben und gekippt.
Geologische Zeiträume sind von uns Menschen nicht nachvollziehbar. Wir können uns vielleicht den Zeitraum von zwei oder drei Generationen noch vorstellen. Die Zeitspanne zwischen uns und Cäsar wären in einer solchen Schicht ein paar Zentimeter. Aber sie machen deutlich, dass wir auf diesem Planeten nur seit Kurzem Gast sind. Dafür haben wir ihn schon ganz schön umgestaltet.
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