Zweimal sieben Tage an der „Piratenküste“

Abu Dhabi ist das größte der Sultanate, die an dieser Küste einen Protektoratsvertrag mit England schlossen. …. Vorher bezeichnete man diese Küste als die „Piratenküste“, da sie der Schifffahrt im Persischen Golf viel zu schaffen machte. Eine kleine Burg beherrscht die kleine, baufällige Stadt, die sich an der Küste hinzieht. Es gab ein paar Palmen, in deren Nähe sich ein Brunnen befand, an dem wir unsere Kamele tränkten; … Wir blieben etwa 20 Tage lang in Abu Dhabi, einer Stadt von 2.000 Einwohnern.“ Wilfred Thesiger, März 1949 (Thesiger, S. 298 ff.)

Wilfred Thesiger, geboren 1910 in Addis Abeba als Sohn eines britischen Diplomaten, zog zwischen 1945 und 1950 mit Beduinen durch die Arabische Halbinsel. Er veröffentlichte seine Erfahrungen 1959 unter dem Titel Arabian Sands.*

*Zitate hier stammen aus der 2015 erschienenen zweiten Taschenbuch-Auflage der deutschen Übersetzung.

Aus den verfeindeten Beduinenstämmen von einst („einst“ ist etwa so lange her, wie das Geburtsjahr des Chronisten) sind heute die „Vereinigten Arabischen Emirate“ geworden. Und die Bedeutung von Brunnen auf dem Weg durch die Wüste ist durch die Tankstellen der ADNOC (Abu Dhabi National Oil Company) an den Autobahnen abgelöst, welche die scheinbare Ödnis zwischen dem Persischen Golf und der Rub al Chali durchziehen. Abu Dhabi ist jetzt Hauptstadt der VAE und ein Zentrum von globalen Finanzen, Handel, Software-Entwicklung und zunehmend – mit dem Rivalen Dubai – internationalem Tourismus.

Zweimal für eine Woche waren wir im Dezember 2018 und 2019 in den Emiraten. Aus der kleinen Burg im Sand von Abu Dhabi ist ein Kulturzentrum zur Geschichte des Emirates geworden. Modern, großzügig gestaltet, sehenswert und weit über die Kernburg hinaus erweitert. Das ganze Ensemble liegt in einem „Krater“zwischen den Wolkenkratzern der Downtown.

Weniger als drei Fahrstunden trennen die Metropole von den Liwa-Oasen. Eine gut ausgebaute Straße führt mitten hinein in die Moreb-Dünen. Handy-Masten verbinden den Reisenden mit der Außenwelt aus jenem „leeren Viertel“, das sich weit nach Saudi-Arabien und Oman hinein zieht.

Auf dem Satellitenbild wirken die Dünen wie Pizzateig auf einem Backblech. Bei unserem Besuch fand sich keine Menschenseele, nur Kamele lagen entspannt am Fuß der Dünen. Das entbehrungsreiche Leben in der Wüste ließ sich aus einem klimatisierten Auto nicht einmal erahnen. Hoffentlich aber gelingt es der jungen Generation in den Emiraten, die Vergangenheit ihrer Eltern und Großeltern mit den Anforderungen des 21. Jahrhunderts zu verbinden.

Bin Kabina, der eine Anhöhe erkletterte, rief uns zu ‚Ich kann die Dünen bei Liwa sehen‘. Wir stiegen zu ihm hinauf, und ich erkannte das große goldene Sandgebirge wieder, in dem wir im Vorjahr gewesen waren. Jetzt waren wir gerettet, aber das wurde mit keinem Wort erwähnt.“ (Thesiger, S. 296)

Dünen in der Nähe der Liwa-Oasen, Abu Dhabi (Dez. 2018)

Am Rande der Salzflächen, unmittelbar am Fuß der hohen steilen Dünen, und in Sandtrichtern hatte man Palmen gepflanzt und die Palmenhaine eingezäunt. Auch auf den Dünenkämmen waren solche Zäune errichtet worden, mit deren Hilfe man die Sandbewegungen, die an einigen Stellen die Bäumen teilwese begraben hatten, aufzuhalten versuchte.“ (Thesiger, S. 296)

„Ich war mir bewusst, dass ich meine letzte Reise im leeren Viertel gemacht hatte und dass ein Abschnitt meines Lebens zu Ende war. In der Wüste hatte ich gefunden, wonach ich mich gesehnt hatte, und ich wusste, dass ich das alles nie wiederfinden würde. Aber das war nicht mein einziger Kummer. Ich war mir darüber klar, dass die Bedu, mit denen ich gelebt hatte und gereist war und in deren Gesellschaft ich mich wohlgefühlt hatte, dem Untergang geweiht waren. Manche Menschen sind der Ansicht, es wird den Bedu in Zukunft besser gehen, da sie die Entbehrungen und die Armut der Wüste gegen die Sicherheit einer materialistischen Welt eintauschen werden. Ich teile diese Ansicht nicht. Ich werde nie vergessen, wie oft ich mich diesen analphabetischen Hirten gegenüber armselig vorgekommen bin, weil sie soviel großzügiger, soviel mutiger ausdauernder, geduldiger und ritterlicher waren als ich.“ Wilfred Thesiger, Februar 1950 (Thesiger, S. 378 f.)

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