Ein Trump Tower für Calcutta!

Mittagsschlaf in der Park StreetIst das nicht die Stadt, in der einst eine katholische Nonne Sterbende von der Straße aufsammelte? Jenes Image einer Metropole im Niedergang, voller Armut und unsäglicher Not ist außerhalb von Calcutta weit verbreitet. Und das bei einer noch vor hundert Jahren Hauptstadt eines Weltreiches, von der weiterhin jede Menge Bauten zeugen. Das Bild einer sterbenden Stadt (oder einer Stadt voller Sterbenden) will die junge Generation heute nicht mehr gelten lassen. In den Bistros und Büros entlang der Park Street, aber bei weitem nicht nur dort, herrscht Selbstbewusstsein, Zuversicht (wo unsereins längst aufgegeben hätte) und eine Nonchalance gegenüber dem Unbeherrschbaren (wie z.B. exzessive Monsunregen oder eine ineffiziente Stadtverwaltung).

So hinterfragen nicht viele in Calcutta, ob ein Trump Tower an der östlichen Peripherie der Metropole Sinn macht. Er ist sowieso ein privates Bauprojekt, von Superreichen für Superreiche. Und davon gibt es inzwischen viele in der Metropole am Unterlauf des Ganges. Mitten in Chowringhee entsteht ein 42-stöckiges Appartment-Hochhaus (s. Foto oben), das symbolisieren soll: We made it! So stehen diese Neubauten für den stolzen Optimismus einer Stadt, deren Zukunft vor 30 Jahren abgehakt schien. Aber mitten im damaligen Niedergang baute die Stadt eine U-Bahn – unter den erschwerten Bedingungen der Lage an einem der unberechenbarsten Flüsse der Erde. Heute werden koloniale Bauten in der Innenstadt restauriert – Writers Building oder Raj Bhavan (einst Sitz des indischen Vizekönigs) haben ihre Funktion ohne Unterbrechung behalten.

Und so kommt Donald Trump Jr. dieser Tage nach Indien (und Kolkata!) und wird eher gefeiert, als kritisiert. Ein Abendessen mit dem Sohn des US-Präsidenten für kaufwillige Kunden? In Indien nicht der Hauch eines Problems. Wenn der Name des mächtigsten Mannes der Welt über Calcutta scheint, kann es um die Zukunft der Stadt in Bengalen nicht so schlecht bestellt sein, mag sich mancher insgeheim denken. Und obwohl gerade in Calcutta Indiens kritischste Geister beheimatet sind, noch können ihre Fragen und Mahnungen zu Korruption, Vetternwirtschaft und wirtschaftlicher Ungleichheit nicht die stille Hoffnung der vielen weniger Glücklichen vertreiben, dass einst auch etwas für sie abfällt. Laut Washington Post soll Trump Junior gesagt haben, er bewundere die Armen in Indien, wegen ihrer Lebenseinstellung und ihres Lächelns.

Besprechung aus THE NEW YORKER, 30. April 2018

Weitere Informationen:

Kolkata by Wikipedia 

„Paying the price…“, Washington Post, 21 February 2018