In atemlosen Zeiten braucht es einen atemlosen Sender: Fetzige Clips, mit rockiger Musik unterlegt, senden pausenlos Eigenwerbung des Senders („See where the action is“), die Moderatoren sind Stars („I am Fred Pleitgen in Aleppo. This is CNN“) und wünschen dem Zuschauer, „wherever you’re watching, a profitable moment“. Seit dem 11. September 2001, der eigentlichen Geburtsstunde der 24 Stunden-„Breaking News“, laufen rote Textbänder am Bildschirmrand entlang, inzwischen Standard aller Nachrichtensender. Und wenn Sean Spicer oder Sarah Huckabee Sanders „any moment from now“ in den White House Briefing Room kommen, werden alle Interviews abgebrochen. Kaum ist ein Beitrag zu Ende, wird der nächste aufwendig angekündigt, „after the break“, oder „coming on Thursday“. Im „Situation Room“ sitzen Expert Panels neben den Moderatoren und analysieren jeden Winkel der chaotischen US-Innenpolitik.
Das Cable News Network, besser bekannt als CNN, verfolgt uns in Hotels und Wohnzimmer, so vertraut wie weiße Handtücher oder Günter Jauch. Diese Ubiquität ist in der realen Welt ganz konkret: CNN ist ein Wirtschaftsunternehmen und hat sein Global Headquarter in Atlanta (Georgia). Das CNN Center liegt in der Marietta Street, am Rand des Centennial Olympic Parks, einst angelegt zu den Olympischen Spielen 1996. Ganz im Geist des amerikanischen Pragmatismus wurde der Kabelsender einfach in einen Flügel des Omni Hotels verlegt, das noch heute integrierter Bestandteil des CNN Centers und für jedermann buchbar ist.
CNN wurde aber schon 1980 gegründet, von Ted Turner (zwischenzeitlich Ehemann von Jane Fonda). Ich weiß noch, wie damals deutsche Zeitungen und Radiosender ganz ungläubig meldeten, es gäbe jetzt einen Fernsehkanal drüben, der rund um die Uhr Nachrichten sende. Eine in Deutschland damals unglaubliche Vorstellung. Ab den 1990er Jahre wurde dann CNN International auch in die deutschen Kabelnetze als Free TV eingespeist. Turner verkaufte inzwischen sein Turner Broadcasting System samt CNN an Time-Warner.
Die Hauptstadt Georgias hat dem Besucher eine Menge zu bieten, auch wenn der Südstaaten-Charme aus „Vom Winde verweht“ nicht mehr existiert. Aber hier, in seiner Geburtsstadt, begann das politische Wirken Martin Luther Kings, hier ist der Sitz von Coca Cola – samt dem sehenswerten „World of Coca Cola“-Museum – und, ebenfalls mitten in der Stadt, von Georgia Tech, der technischen Universität mit ausgezeichnetem Ruf. Und auch ein Besuch im CNN Center sollte zum Programm gehören. Das bietet Studiotouren an, bei denen die Besucher die typischen Techniken der heutigen Fernsehwelt kennen lernen und Teile des Sendezentrums auf einer gesonderten Balustrade durchwandern können, mitten im Sendebetrieb. Überraschend ist, wie klein das verwinkelte Studio ist – Moderationstische und Backdrops werden schnell ausgetauscht. Allerdings kommt der weitaus größte Teil der Sendungen aus den Studios in New York, Washington, Los Angeles, dann der Sonne folgend aus Hongkong und am späten Nachmittag bei uns aus Abu Dhabi, abends aus London. An Wochenenden wird das Programm meist ganz aus Atlanta gefahren.

Diese „the sun never sets“-Logistik ist beeindruckend, das muss man den Amis neidlos lassen. Noch beeindruckender ist, dass „Breaking News“ aus praktisch jeder Capitale des Globus gesendet werden können, mit eigenen Korrespondenten und der Übernahme lokaler Sendebilder. Das dieser immense Aufwand noch unter kommerziellen Gesichtspunkten funktioniert, verwundert, wenn man bedenkt, dass unsere finanziell gut ausgestatteten öffentlich-rechtlichen Sender ihre Außenstudios aufs aller notwendigste reduziert haben (der ganze Nahe Osten aus Kairo, ganz Afrika aus Nairobi oder – wie beim ZDF – ganz Asien aus Singapur). Das anstrengende, zum Teil hektische und schrille Geschehen auf dem Bildschirm wird zumindest ausgeglichen mit Live-Schaltungen an Plätze wie Cox’s Bazar (Bangladesh), Raqqa (Syrien) oder sensationellen Berichten, wie vom Sklavenmarkt in Tripolis (Libyen).
Die Trump-Regierung, vor allem der Chef selbst, nennt CNN einen Fake News-Kanal. Dabei hat er in folgenreicher Symbiose mit dem Kabelsender in der Vorwahlzeit mehr Sendeplatz erhalten, wie jeder andere. Wir verdanken Trumps Präsidentschaft der Dauerpräsenz in den Medien, CNN vorne weg. Heute muss CNN Eigenwerbung schalten („This is an apple…“), um sich gegen die Verunglimpfung zu wehren.
Inzwischen hat CNN weltweite Konkurrenz: Sky News (gehört Rupert Murdoch), Al Jazeera (gehört dem Scheich von Qatar) oder die traditionsreiche BBC (World). Die Kabelsender verlieren bei jüngeren Menschen an Gewicht gegenüber nicht-traditionellen „News Feeds“ wie bei Google, Yahoo oder Facebook – von Twitter ganz zu schweigen. Hier nimmt keine professionelle Redaktion dem Zuschauer oder Leser eine Gewichtung und Prüfung der Nachrichten ab, hier ist der Nutzer auf sein Urteilsvermögen angewiesen – und das bei durch Algorithmen erzeugten Dauerfeuer von „targeted information“. Kein Wunder, dass die sogenannten „sozialen“ Medien eine Rolle bei der Wahl Trumps oder dem Brexit-Votum gespielt haben. Sie eignen sich hervororagend für Manipulationen, auch jenseits von Ländergrenzen.
Der schnelle Takt und der lärmende Ton bei CNN soll den Zuschauer vom Blick auf sein Smartphone oder von der Fernbedienung abhalten. Im Vergleich zu dem Dauerfeuer von Twitter-Feeds und dem Empörungsritual in öffentlichen Web-Foren aber ist CNN schon wieder ein Stück „Old School“-Medium. Stay tuned for the world’s news leader – nothing less.
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