Klimawandel – Rette sich wer kann

Wissenschaft ist in den USA zur Glaubenssache geworden. Und die Wissenschaft der Klimaforschung wird im Land der Nobelpreise und Spitzenforschung – „Ivy League“-Unis – von politisch Verantwortlichen belächelt. Der Noch-Chef im Oval Office hatte es also leicht, ein internationales Abkommen zu kündigen, das nach 23 Jahren Verhandlungen von 195 Staaten unterzeichnet wurde. Jetzt sind es nur noch 194, die sich verpflichten, den globalen Temperaturanstieg  (präziser: den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur) auf weniger als 2° Celsius gegenüber dem frühindustriellen Zeitraum zu beschränken. Nur wenn dies erreicht ist, können katastrophale Auswirkungen der globalen Erwärmung halbwegs eingedämmt werden. Ab 2040 muss die Erde dazu komplett auf fossilen Brennstoffe verzichten.

Temperaturanzeige im Auto, bei Mersin (Türkei), Mai 2015

Was sich nach wenig anhört – bei uns schwanken die Temperaturen täglich um mehr als 10° und zwischen einem Januartag und einem Julitag mögen mehr als 20° liegen – ist aber gravierend. Die Ermittlung und Bewertung der globalen Durchschnittstemperatur ist die wissenschaftlich anerkannte Methode, um globale Erwärmung zu messen. Geringe Zunahmen bei diesem Wert implizieren gewaltige Veränderungen im Energiehaushalt der Atmosphäre. Und der geht linear einher mit dem Ausstoß von Kohlendioxid (CO2),  wie sie bei der Verbrennung von fossilen Brennstoffen anfällt – von der häuslichen Heizung bis zum Auto, vom Kohlekraftwerk bis zur Diesellok. CO2 zählt als „Treibhausgas“, weil es die Hitzestrahlung von der Erdoberfläche, welche die Sonnenwärme erzeugt, wie unter einem Glasdach hält. Und der Anteil von CO2 in der Atmosphäre hat sich Beginn der Industrialisierung, die anfangs auf Kohle und Öl basierte, von rund 300 ppm (relativ stabil über die vergangenen 10.000 Jahren) in wenigen Jahrzehnten auf derzeit rund 400 ppm  (parts per million, Teile pro Million) erhöht.

Wissenschaftliche Prognosen über die Auswirkungen einer solchen Erwärmung sind schwierig, sie sind regional sehr unterschiedlich. Schmelzende Polkappen oder Gletscher sind ein Indiz, veränderte Wetterverhältnisse in den Tropen und Subtropen ein weiteres. All das wird überlagert von natürlichen und zyklischen Erscheinungen (El Nino oder Monsunklimate), die nicht primär von der Erderwärmung getrieben werden, sondern „etablierte“ Muster der atmosphärischen Zirkulation sind. Nimmt man die Meere und deren Strömungen hinzu, wird das Bild noch komplexer. Hier eindeutige Modelle zu entwickeln, ist auch für Wissenschaftler mit leistungsstarken Computern extrem schwierig.

Hinzu kommen Wechselwirkungen, etwa dass Methan – ein weiteres Treibhausgas – verstärkt in die Atmosphäre entlassen wird, z.B. aus dem Permafrost der Tundren. Zugleich können die Meere wiederum CO2 absorbieren, was zur Versauerung führt und die Korallen abtötet. Kein Platz hier für Versimpelungen – und für Simples wie im Weißen Haus oder zwischen Memphis und Charleston.

Hochwassermarkierungen am Brahmaputra in Assam (Indien)

Dem Weltklima hat der „Reality TV“-Akteur in Washington mit der Kündigung des Pariser Abkommens signalisiert: Verpiss Dich! Man könnte, wohlwollend gemeint, immer noch diskutieren, wieviel Einschränkungen von uns (Verbrauchern und Wirtschaft) heute abverlangt werden müssen, damit unsere Kinder und Enkel noch eine Zukunftschance habe. Und dieses Opfer sieht tatsächlich in China nnd Indien anders aus, als in den reichen Industrienationen, die schon seit 150 Jahren CO2 in die Atmosphäre blasen. Zudem ist der aktuelle Pro-Kopf-Anteil von CO2 -Emissionen extrem ungleich und gäbe zwei Drittel der Menschheit alles Recht, sich hier dem Stand der Industrienationen anzunähern. Denn auch sie haben ein Recht auf „Entwicklung“.

All diese Argumente, die in die mühevollen Verhandlungen bis zum Paris-Abkommen eingeflossen sind, hat der Immobilienmakler im Weißen Haus nicht nur vom Tisch gewischt; seine Rede am 1. Juni 2017 war von seltener Arroganz und von einem nationalen Chauvinismus geprägt, der schon an Stammtischen eine Zumutung wäre.

Überschwemmungen am Mississippi, Trockenheit in Arizona oder Wirbelstürme an den Küsten des Golfs von Mexiko mögen künftig manchem die Augen öffnen, das Mitleid für die Menschen auf den Malediven oder Tonga, an den Küsten von Chittagong oder Orissa oder auf Luzon und Madagaskar wird ganz sicher zunehmen. Sie sind die Verwundbarsten und meist auf sich gestellt.

Globale Solidarität zur Lösung eines den ganzen Planeten betreffenden Problems wurde einfach (passender Weise in einem Rosengarten, in dem bald Hibiskus blühen dürfte) vor einem weltweiten Fernsehpublikum öffentlich lächerlich gemacht. Jeder für sich, in jedem Fall aber „America first“. Die USA haben sich in den wenigen Monaten seit dem 8. November 2016 zu einem Staat entwickelt, in dem Dummköpfe zu regieren scheinen.

Weitere Informationen:

UN-Klimakonferenz Paris 2015 bei Wikipedia 

Erklärung Italiens, Frankreichs und Deutschlands zur Aufkündigung des Pariser Abkommens durch die USA 

Hitzewellen in Indien nehmen zu, THE HINDU 8.6.2017