Erfurt: mittendrin

Treffpunkt Benediktplatz

„Wir gehörten eigentlich immer zum Westen,“ fasst Herr Zimmermann die Geschichte seiner Heimatstadt bis 1945 zusammen. Er ist heute unser Stadtführer in Erfurt. Wir stehen am Benediktplatz und schauen Richtung Krämerbrücke. Die Hauptstadt Thüringens gehörte tatsächlich immer zum Erzbistum Mainz. Als alte Handelsstadt an einer Furt über den Fluss Gera hatte Erfurt ein reiches Bürgertum, aber keinen Fürsten, der seine Residenz mit einem Schloss oder einer mächtigen Burg zierte.

Von unserem Hotelzimmer aus reichte morgens der Blick über die Altstadt zum Dom St. Marien und der Severinkirche. Dazwischen die Fachwerk- und Bürgerhäuser Erfurts, die wir zusammen mit Herrn Zimmermann jetzt erkunden. Am Wenigeplatz schauen wir zurück auf die Ägidienkirche, welche die Brücke nach Osten abschließt. Stolz erzählt uns Herr Zimmermann, dass die Kaufmannshäuser der Brücke schon vor der Wende von engagierten Bürgern vor dem Abriss bewahrt wurden (Erfurt hatte das Glück, im Zweiten Weltkrieg nicht bombardiert zu werden). Beinah hätte sich nach der Wende eine Drogeriekette der Brücke samt Häuser bemächtigt. „Stellen Sie sich vor, wie das heute aussehen würde,“ meint er. Aber Erfurt hat nach der Wende enorm profitiert, gesteht er zu. Die Krämerbrücke gehört heute der Stadt und ein Stiftungsrat berät, wer vermieten darf oder Mieter wird. Mit subventionierten Preisen will man die handwerkliche und künstlerische Vielfalt der Brückenhäuser und der Geschäfte in ihnen erhalten. „Eine Erfolgsgeschichte,“ sagt unser Stadtführer und man muss ihm zustimmen.

Wir gehen ein Stück an der Gera entlang nach Norden und überqueren den Fluss dann über die Kreuzgasse. Am westlichen Ufer stehen zwei Fachwerkhäuser (ein Schild benennt sie „Studentenbursen“), welche Professoren (im Untergeschoss) und im Stockwerk darüber Studenten der Universität Erfurt beherbergten, einst eine der ältesten Universitäten Deutschlands. Die Studenten hätten sich oft mit den Bürgern geprügelt und einer der größten Rabauken wäre später Rektor der Universität geworden (… und habe so offensichtlich Leitungskompetenz bewiesen), meint Herr Zimmermann. Wir gehen weiter durch die Studentengasse in die Michaelisstraße. Hier ist das einstige Universitätsgebäude restauriert worden, aber die Universität gibt es heute nicht mehr.

Herr Zimmermann verweist auf den berühmtesten Studenten Erfurts, Martin Luther, der weiter nördlich im Augustinerkloster lebte. Das 500-jährige Reformationsjubiläum zieht jede Menge Touristengruppen in Luthers Heimat: Wir trafen Skandinavier und Amerikaner. Überhaupt war Erfurt an jenem 1. Mai-Wochenende voller Besucher. Weiter südlich in der Michaelisstraße führt uns Herr Zimmermann in einen Hinterhof, in dem ein Bottich mit einigen Waidpflanzen steht. Färberwaid, das „deutsche Indigo“, wurde zur Erzeugung von blauer Textilfarbe verwendet und trug – vor dem Import von indischem Indigo – zum Reichtum Erfurts und vieler Städte in Thüringen bei.

Bottich mit Waidpflanzen

Wir biegen in die Waagegasse ein und stehen dann vor der Alten Synagoge. Jüdische Tradition (und die jüdische Gemeinde) war in Erfurt groß, wie auch in anderen Städten Mitteldeutschlands. Die Gasse mit ihrem Kopfsteinpflaster wird immer enger und an einigen Stoppsteinen an den Hauswänden haben Fuhrwerke buchstäblich die Kurve gekratzt.

Wir gehen weiter und stehen bald mitten auf dem Domplatz – er sei so überdimensioniert, weil er Schussfeld bei den verschiedenen Belagerungen Erfurts war. Durch eine Gasse, vorbei an Lagerhäusern für Waid – eines beherbergt heute ein Puppentheater und ein Kabarett – gelangen wir zum Fischmarkt und dem Rathaus. Hier endet unsere zweistündige Tour durch die Altstadt Erfurts. Herr Zimmermann verabschiedet sich und unsere Gruppe bedankt sich mit Beifall für die kundige Führung. Erfurt, wahrlich eine sehenswerte Stadt, mittendrin in Deutschland.

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Weitere Informationen:

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