Wüsten kennen wir zur Genüge: die Servicewüste oder die Wasserwüste und sogar „Food Deserts“ (Fachbegriff für fehlenden Lebensmitteleinzelhandel). Aber kennen wir die wirkliche Wüste, die mit brennender Sonne und Sanddünen? Die Tourismusindustrie weiß die Sehnsucht nach dem Wüsten-Feeling zu nutzen, ob in Südmarokko, im Hinterland von Hurghada oder in Indiens Tharr-Wüste. Wüsten-Camps, die wenigstens für 24 Stunden einen Sonnenuntergang und den klaren Sternenhimmel über dem Sand vermitteln, sind der Renner.
Die Wahibah-Wüste in Oman ist für solche Träume wie geschaffen. Über Dutzende Kilometer erstrecken sich Sanddünen südlich des Hajar-Gebirges in Nord-Süd-Richtung. Und hier, zwischen der Verkehrsachse der N 23 und den Dünenzügen, trifft man auf „Desert Camps“, z.T. mit Pool und Aktivitäten wie „Dune bashing“ oder „Quad racing“. Der obligatorische Kamelritt mag auch dazu gehören. Das ist zwar alles weit ab vom unsäglich harten Leben der Beduinen, aber inszeniertes Abenteuer verkauft sich gut.
Im März 2017 waren wir für einen Tag Gast im Al Reem Desert Camp, weiter südlich, bei Al Kamin. Es weitab der Hauptstraße zu finden war schon eine Herausforderung, zu der uns Herr Al-Hassani, der Eigner und Manager später beglückwünschte. Denn den letzten Kilometer mussten wir über eine Piste den Spuren im Sand folgen, um das Camp zu finden. Es war einst tatsächlich ein Camp seiner Familie, sagt Herr Al-Hassani. Er wollte dieses Erbe bewahren und Gästen aus aller Welt zugänglich machen. Das Camp liegt am Ostabhang einer kleinen Düne. Am Eingang des umzäunten Geländes befindet sich die Rezeption in einem Ziegelbau. Der Gast wird dort mit omanischem Kaffee, Minztee und gekühlten Tüchlein willkommen geheißen. Serviert wird dies von einem der zehn Angestellten des Camps, einem überaus herzlichen Bangladeshi. Alle Bediensteten vermitteln jene Gastlichkeit, für die Oman so berühmt ist. Darauf legt Herr Al-Hassani bei seinem Personal größten Wert.
Um einen metikulös gepflegten sandigen Innenhof gruppieren sich Hütten, die von außen mit getrockneten Schilfstangen dekoriert sind. In der Mitte des Hofs sprudelt ein kleiner Brunnen. Es gibt Sitzecken unter schattigen Bäumen. Der Hof ist liebevoll dekoriert mit Krügen, Töpfen und Öllampen, die abends die Szenerie bunt beleuchten. Das Restaurant liegt in einem Nachbarhof am Rand der Düne. Auch hier Grillplätze, Sitzecken im Sand und Zelte samt Duschhütten. Alles mit großer Sorgfalt und offensichtlicher Liebe zum Detail gestaltet. Unser Zimmer in Hütte 2 sind bestens ausgestattet, mit Dusche und WC, aber auch mit Aircondition. Die Wände sind mit allerlei Memorabilien geschmückt. Der Raum ist mit Weihrauch von Fliegen freigehalten worden, der Geruch gibt dem Ganzen tatsächlich eine „weihevolle“ Stimmung.
Wir sind an diesem Tag die einzigen ausländischen Gäste im Al Reem Desert Camp. Ein Scheich aus den Emiraten und seine Entourage hat das Camp für ein „Desert Retreat“ gemietet. Als die Sonne untergegangen ist, treffen wir uns zu einem opulenten Dinner im Restaurant. Es gibt Lammfleischtopf (in einem riesigen Tonkrug) mit Reis und Nüssen, Rosinen und Gewürzen. Dazu omanisches Fladenbrot, Tomaten- und Gurkensalat und diverse Saucen. Der Nachtisch ist ein omanischer Halwa aus Datteln.
Anschließend versammeln wir uns um ein Lagerfeuer im Sand. Es wird musiziert und erzählt. Ein Entertainer gießt Kaffee oder Tee in kleine Schälchen und macht dazu humorvolle Anmerkungen, wenn er um das Feuer herum wandert. So jedenfalls verstehen wir die Gestik und das Gelächter. Herr Al-Hassani übersetzt uns das eine oder andere. Die Gäste aus Almanya sind in jedem Fall willkommen und die Stimmung ist auch mit Kaffee und Tee (also ohne Bier und Schnaps!) ausgelassen.
Am Außenzaun des Camps parken unsere „Kamele“, die großen SUVs und Allradgefährte. In der Nachbarschaft des Camps wohnen einige Kamelhirten. Zumindest vermittelt jener Abend im Camp ein klein wenig die Geselligkeit und Atmosphäre der Beduinengesellschaft. Vermutlich ist dies auch für die heutigen Bürger der Emirate und des Sultanats Oman noch die einzige Verbindung zur Vergangenheit in der von der Moderne überrollten Gesellschaft. Zumindest in Oman versucht man diese Verbindung so gut es geht zu halten. Dass sie sich auch kommerziell nutzen lässt, wer würde das übelnehmen.
Weitere Informationen:
Update v. 9.12.2017: Oman’s post-oil economy (Al Jazeera online)
Kurze Info zur Wahibah bei Wikipedia