Oman – ein anderer Orient

Porträt des Sultans in Mutrah

Sein Bild hängt an vielen öffentlichen Plätzen, sein Name tragen Stadtautobahnen, die Universität oder prächtige Moscheen. Sultan Qabus ibn Sa’id Al Sa’id regiert Oman seit 1970.  In diesen 47 Jahren hat sich das Sultanat von einem unbedeutenden Winkel auf der Arabischen Halbinsel zu einem modernen, weltoffenen Land entwickelt. Es ist heute nicht nur eine einzigartige Tourismus-Destination, sondern lockt auch Investitionen und Gastarbeiter aus dem Ausland an. Von den derzeit rund 4,5 Millionen Einwohnern Omans sind etwa 46 % Zuwanderer aus Süd- und Südostasien. Und die begegnen dem Touristen zuvorderst, in Hotels und Restaurants, in Supermärkten und an den Straßenbaustellen.

Aber die Omanis selbst ruhen sich nicht auf Teppichen in Beduinenzelten aus. Das Land setzt auf Bildung und hat 1986 mit der Sultan Qabus Universität in Seeb, westlich von Muscat, einen Meilenstein gesetzt. Omanis werden auch im Ausland qualifiziert und sollen dann Senior-Management-Positionen einnehmen. Ausländische Berater helfen in omanischen Unternehmen oder als Gastdozenten an der Universität. Aber auch für technische Berufe sollen sich Omanis qualifizieren: In der Nizwa Grand Mall begegnete uns ein Trupp junger Männer, alle Omanis, in „Blaumännern“ von Schlumberger (einem internationalen Ölexplorationsunternehmen), die hier ihr Mittagessen einnahmen. Am Customer Service Point der City Centre Mall half uns ein gut Deutsch sprechender Omani beim Internetzugang.

Es mag sein, das Oman auch historische Potentiale einbringen kann, die dem Land bei der rapiden Modernisierung helfen. Die alte Handelstradition am Persischen Golf und dem von Oman hat   Weltgewandtheit erzeugt sowie transnationale Geschäfts- und Verwandtschaftsverbindungen geschaffen. (Zugegeben, das gilt auch für den Levante-Staat Syrien, der sich inzwischen selbst zerstört und faktisch aufgelöst hat). Zudem (und ausgerechnet) mag in Oman die britische Kolonialgeschichte des Landes eine Rolle gespielt haben. Für das Empire waren die heutigen Emirate am Golf wichtig für die Beherrschung von Seewegen und der Sicherung der „Kronjuwele“ Britisch-Indien. Wir fuhren bei unserer Reise im März 2017 über die einstige Landebahn eines Royal Airforce-Stützpunkts am Ras al-Hadd, die heute Teil des lokalen „Straßennetzes“ ist. Englische Sprache und Ausbildung in Großbritannien (Sultan Qabus selbst hat in der britischen Armee gedient und war dabei einige Monate in Deutschland stationiert) geben den Omanis einen internationalen Vorteil.

Vergleicht man Oman mit dem krisengeschüttelten islamischen Orient, von Marokko bis Pakistan, so scheint das Land ausgerechnet unter der Führung eines Sultans tatsächlich wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Nun können Bild und Wirklichkeit täuschen, das wissen wir spätestens seit das demokratische System der westlichen Führungs- und Vorzeigemacht USA einen Immobilienmakler und Fernsehstar zum Präsidenten machte. Man sollte also vorsichtig sein mit dem Reflex, mehr oder weniger autokratische Systeme seien in jedem Fall demokratischen Strukturen unterlegen. In Oman jedenfalls hat Sultan Qabus (und sicher nicht nur er singulär) ein Konglomerat von Nomadenstämmen am Rand der arabischen Wüste in die Neuzeit geführt. Das Nebeneinander – und die selbstbewusste Darstellung – von Tradition und (Hyper-)Moderne scheinen in Oman zu funktionieren.

Wir verbrachten einen Abend mit einer Gruppe von Rechtsanwälten aus Oman und einem Scheich aus den Emiraten und seinen Begleitern am Lagerfeuer in einem Wüsten-Camp. Dessen Besitzer, ein Omani, erzählte uns, wie wichtig bei aller Modernisierung die Bewahrung der Beduinenlebens für ihn sei. Das Camp seiner Familie hatte er in ein für ausländische Gäste offenes Resort verwandelt, das eben jene Traditionen vermitteln sollte. Nur, das Kamele heute durch eine Flotte von PS-starken SUVs ersetzt sind.

Ölpreisverfall und Wirtschaftsflaute haben auch den Oman berührt. Es gab im Rahmen des „Arabischen Frühlings“ im März 2011 in Muscat Demonstrationen. Die Regierung hat weitere Verfassungsreformen versprochen, die absolute Monarchie wird in eine konstitutionelle verwandelt. In Al-Bustan gibt es ein aufwendiges Parlamentsgebäude. Aber Oman ist weit davon entfernt, sein durch Öl und Gas verdientes Geld in Prestigeobjekte wie am Persischen Golf zu verschwenden, weder für eine Fußball-WM noch für architektonische Landmarks. Einzig die „Königliche Oper Muscat“ mag man als ein etwas verschwenderisches Hobby ansehen, ein liebenswertes immerhin.

Trotz der politischen Dominanz des Sultans verzichtet man in Oman auf Personenkult. Der ist im demokratischen Indien zum Beispiel ganz anders ausgeprägt, wo Porträts von Politikern jede Hauswand „zieren“. Wir sahen viele große Straßenbaustellen, aber das Fernstraßennetz ist schon jetzt ganz gut entwickelt. Mobiltelefonie und Internet sind omnipräsent (Kreditkartenzahlung  hingegen z.B. an Tankstellen noch unterentwickelt). Oman ist Mitglied im GCC (dem Gulf Cooperation Council), und schon an den Autokennzeichen aus Kuwait, Qatar, Saudi-Arabien und den Emiraten sieht man die enger werdende Verflechtung zwischen den Golfstaaten. Der Islam prägt die Gesellschaft Omans, aber dies wirkt gegenüber uns als Besucher nicht anmaßend oder agressiv. Männer, die vormittags eine Moschee im Dorf Tanuf betraten, grüßten uns am Parkplatz freundlich mit „Hello. How are you?“ Am Eingang zweier Malls in Nizwa fanden wir Hinweise auf angemessene Kleidung („keep shoulders and knees covered„), die man vom Besucher erwartet. Aber das würde man zuweilen gern auch an deutschen Einkaufsmeilen sehen.

Oman liegt am Wendekreis des Krebses. Bis hierhin wandert der Zenitstand der Sonne nach Norden (topographisch ist Oman also ein Land in den Tropen). Man kann dem Land und seinen Menschen nur wünschen, dass die Transformation in die Moderne weiterhin so behutsam (bei uns sagt man „sozialverträglich“) wie bislang verläuft – und nicht irgendwann zu einem „Wendekreis rückwärts“ wird. Denn neben den politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen stehen dem Land auch noch die ökologischen bevor. Auch Oman wandelt sich zur Konsum- und Wegwerfgesellschaft. So gepflegt die Hauptstadtregion und die Zentren der Mittelstädte wirken, Müll verteilt sich über all in der Landschaft (und wird hier nicht durch wuchernde Pflanzen gnädig zugedeckt). Wasserknappheit ist in einigen Regionen vorprogrammiert – wir sahen in al-Hamra viele Tankwagen unterwegs. Was sicher im Gen der Omanis verwurzelt ist, ist die überwältigende Gastfreundschaft dem Fremden gegenüber, die wir ja als Kernmarke des Orients verstehen und von der wir lernen können. Für jeden von uns steht immer ein Tässchen omanischen Kaffees bereit und eine Schale voller süßer Datteln.

 

 

 

Weitere Informationen:

Sultan Qabus bei Wikipedia

Oman bei Wikipedia

Times of Oman 2014 zu Migranten in Oman

Zum Tod von Sultan Qaboos. THE GUARDIAN online, 11.1.2020