Wenn es nach Steven Bannon geht, hat die Agenda Trump gerade erst begonnen. Der Ideologe im Weißen Haus (und im Nationalen Sicherheitsrat) hat sich gestern zum ersten Mal nach dem Amtsantritt seines Chefs in der Öffentlichkeit gezeigt, bezeichnenderweise auf einer Konferenz des Conservative Political Action Committees (CPAC). Das wird gesponsert von Einrichtungen wie der National Rifles Association oder dem „Think Tank“ Heritage Foundation.

Von dieser Veranstaltung trugen die „dishonest media“ und Fake News-Fernsehsender, wie die Trump-Administration die etablierten Medien nennt, seine Botschaft in die Welt: “The corporatist, globalist media are adamantly opposed to an economic nationalist agenda that Donald Trump has,“ zitiert die britische Zeitung „The Guardian“ Bannon. Der habe klare Einblicke in seine Strategie gegeben, die sich auf drei Säulen stütze: Nationale Sicherheit und Souveränität (national security and sovereignty), ökonomischer Nationalismus (economic nationalism) sowie die Zerlegung des regulierenden Staates (deconstruction of the administrative state). Schaut man sich die Maßnahmen und Dekrete der ersten 30 Amtstage an, dann werden diese Vorstellungen tatsächlich 1 : 1 umgesetzt. Bannon verwies denn (in der CNN-Übertragung) auch darauf, dass dies keine geheime Agenda ist, sondern sie sei deutlich im Wahlkampf formuliert worden. Trump habe dazu das Mandat erhalten.
Schaffen sich die USA, wie wir sie kennen, damit ab? Aber kennen wir die Vereinigten Staaten eigentlich? Was bedeutet in Zeiten von McDonald’s, Microsoft Office oder Facebook „ökonomischer Nationalismus“? Etwa die Aufgabe von globalen Märkten? Was bewirkt extreme Überprüfung (extreme vetting) für Zuwanderer in die Einwanderungsnation USA und deren nationale Sicherheit, wenn angeblich gleichzeitig auf deren Straßen Gangs und Bürger sich mit ubiquitärem Waffenbesitz Schießereien liefern? Und ist nicht die Abschaffung von Vorschriften meist auf Umweltschutz-Gesetze ausgerichtet, samt den Verpflichtungen aus dem Pariser Weltklimaabkommen?
Mit dieser „Bannon-Doktrin“ scheinen sich die USA um 180 Grad zu drehen: nach innen gewandt, nationale Interessen zuerst („America First„). Wenn man es nur glauben könnte. Denn Corporate America sitzt auch in der Trump-Regierung an den Schalthebeln, die Börsenkurse an der Wall Street sind nach oben geschossen. Und es wäre vielleicht ein Gewinn, wenn sich die USA von ihren militärischen Interventionen verabschieden, die immer mehr Unheil angerichtet denn Lösungen gebracht haben. Aber danach sieht es nicht aus, weil schon allein der militärische Kampf gegen den Islamischen Staat eher verstärkt geführt werden soll.

Im Inneren hätte eine US-Regierung genug zu tun. Die Infrastruktur, von Interstates bis zu Staudämmen, von Eisenbahn-Linien bis zu Flughäfen, ist zum Teil prä-modern. Ganze Regionen, vom „Rust Belt“ bis zum „Deep South“ erinnern mehr an Dritte Welt denn an die „most advanced nation on Earth„. Der Autor Paul Theroux hat in einem gleichnamigen Buch seine Reisen in die Bundesstaaten Georgia, North Carolina, Mississippi oder Arkansas beschrieben. Dort, jenseits der Route 66- oder Old Man River-Romantik, fand er Zurückgelassene (Schwarze und Weiße gleichermaßen), die ihn fragen lassen, warum sich die US-Regierung, aber auch Stiftungen wie die Global Clinton Initiative (Bill Clinton stammt aus Arkansas), mit Milliarden in Afrika und Zentralamerika engagieren, aber die eigenen Mitbürger in den Südstataten übersehen. Auch der Filmautor Michael Moore hat frühzeitig darauf hingewiesen und im Übrigen einen Trump-Wahlsieg in den „Rust Belt“-Staaten vorausgesagt, bevor sich dies abzeichnete.
Die Frage also ist: Kann es sein, dass wir ein romantisches Bild von Amerika hatten? Oder eine Projektion unseres eigenen vermeintlichen Gefangenseins in Konventionen versus dem Land of the Free, dem land of opportunities? Ist das dann die 24/7-Dienstleistungsgesellschaft mit offenen Shopping Malls an Sonntagvormittagen? Die günstigen Hoteltarife, bei denen der Zimmerservice von „undocumented immigrants“ einkalkuliert ist? Die Uber-, Paypal-, Twitter- und Airbnb-„Innovationen“, die junge Leute zu Millionären machen, aber Taxiunternehmen und Hotelketten schaden? Und während wir Müll trennen und Glühbirnen durch stromsparende Leuchten ersetzen, laufen in den USA die A/C non-stop, wird Plastikmüll zuhauf produziert und fahren Hummers zum „drive through“ und warten mit laufendem Motor, bis der Burger gereicht wird.
Die USA waren zwar ein „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“, aber dabei wurde übersehen, dass sie auch das Land des ungebremsten Absturzes waren. Der allerdings entzieht sich unseren Kameralinsen oder versteckt sich hinter den touristischen Fassaden.
Weitere Informationen:
The Guardian, 24.02.2017, über Steve Bannon
NYT, 25.2.2017 über Steve Bannon
Verlagswebseite zu Theroux „Tief im Süden“
Besprechung von „Deep South“ in der New York Times
Bill Moseley, Macalester College, MN, zum Niedergang der USA, Al Jazeera.com 15. Dezember 2017
Extreme poverty in the U.S.A., THE GUARDIAN 14 Dec 2017
Banon leaves Breitbart, The Washington Post, 10.1.2018