High Noon auf der C Street

Die Cartwrights hatten immer viel zu tun in Virginia City. Die Stadt lag östlich der Ponderosa-Ranch am Lake Tahoe in Nevada (man muss die Karte im Intro der Fernsehserie um 90 Grad nach rechts drehen, um sie korrekt „einzunorden“). Ben Cartwright und seine Söhne waren zwar Figuren unserer Jugend, aber die Männertruppe mit dem chinesischen Koch auf der Ponderosa entsprang der Phantasie der Drehbuchschreiber. Virginia City hingegen gab und gibt es wirklich.dsc00182

Die kleine Stadt liegt am Ostrand eines Höhenzuges, im Schatten der Sierra Nevada. Wer vom Lake Tahoe kommt, fährt runter nach Carson City und dann eine gute halbe Stunde nach Nordosten. Im trockenen Klima und auf 2.000 m Höhe haben sich die hölzernen Gebäude gut gehalten. Sie sind zudem für die Touristen restauriert. Die Straßen sind von A bis R Street benannt, parallel zum Hang. C Street ist die Hauptstraße der „City“ – mit weniger als 1.000 Einwohner bei uns bestenfalls ein Dorf. Das war nicht immer so: Zum Höhepunkt des Goldrausches um 1880 hatte die Stadt schon mal 10.000 Einwohner.

Jener Rausch um Gold war auch der Grund, warum der junge Samuel Clemens Ende 1861 seinem Bruder vom Mississippi nach Virginia City folgte. Er hatte seinen Job als Lotse auf dem Fluss verloren und suchte Arbeit. Aber auch als Goldgräber war er nicht erfolgreich, mehr hingegen als Schreiber und Journalist. Er schrieb für die lokale Zeitung „Territorial Enterprise“ und verwendete ab 1863 dort das Pseudonym Mark Twain. In gewisser Weise wurde Mark Twain also in Virginia City „geboren“. dsc00186 Die literaische Begabung des damals gerade 27-Jährigen ist schon in diesen kleinen Berichten und Texten aus der Zeitung von Virginia City erkennbar, etwa seine Gedanken zu Neujahr 1863:

Now is the accepted time to make your regular annual good resolutions. Next week you can begin paving hell with them as usual. Yesterday, everybody smoked his last cigar, took his last drink, and swore his last oath. To-day, we are a pious and exemplary community. Thirty days from now, we shall have cast our reformation to the winds and gone to cutting our ancient short comings considerably shorter than ever. We shall also reflect pleasantly upon how we did the same old thing last year about this time. However, go in, community. New Year’s is a harmless annual institution, of no particular use to anybody save as a scapegoat for promiscuous drunks, and friendly calls, and humbug resolutions, and we wish you to enjoy it with a looseness suited to the greatness of the occasion.“

Der Name Mark Twain taucht überall an C Street auf: ein Casino oder ein Saloon sind nach ihm benannt. Im Gebäude der Tageszeitung von einst ist ein Mark Twain Museum (No. 53, C Street) eingerichtet.

Wer heute über die hölzernen Gehsteige in Virginia City schlendert, der muss darauf gefasst sein, dass aus den Schwingtüren der Saloons plötzlich ein Bösewicht tritt. Möglicherweise ist kein Sheriff weit und breit. Mein Tipp daher: den Colt locker halten. Es ist High Noon in Virginia City.

Blick von der gegenüberliegenden Talseite auf Virginia City
Blick von der gegenüberliegenden Talseite auf Virginia City

Weitere Informationen:

Virginia City bei Wikipedia

ausführlicher: „Virginia City“ bei Wikipedia English

Mark Twain bei Wikipedia

Webseite von Virginia City Tourism

Webseite des „Bucket of Blood“-Saloon

Webseite des „Mark Twain“-Saloon

„Bonanza“ bei Wikipedia